Juli im Interview

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“Studieren ist eine echt toughe Nummer”

Foto: Sven Sindt

Juli im Interview

Juli sind wieder da! Anders als ihre Bandkollegen – zum Beispiel Jonas Pfetzing (Foto rechts) – verbringt Frontfrau Eva Briegel ihre Zeit aber mittlerweile nicht mehr nur auf Bühnen oder im Studio, sondern auch in so manchem Seminarraum.

Gerade ist eure Single „Fahrrad“ erschienen, im Herbst folgt das neue Album. Warum gab’s davor eine vierjährige Auszeit?

Eva: Wir haben schon viel Musik gemacht und geschrieben. Hat uns alles aber nicht so vom Hocker gehauen.

Jonas: Ja, den richtigen Dreh haben wir erst vor einem Jahr bekommen. Dass wir dachten: ‚Ey, jetzt entstehen wieder Sachen, die sich gut anfühlen.‘

Eva, du hast die Zeit auch für was ganz anderes genutzt und bist jetzt wieder an der Uni…

E: Ja, im vierten Semester Psychologie an der FU Berlin.

Vor Juli hattest du ja schon eine kleine Studiengang-Wechsel-Odyssee hinter dir, darunter Kunstgeschichte, Pädagogik und Germanistik. Was war denn damals so schwierig für dich?

E: Ich finde das Verschulte durch Bologna eigentlich ziemlich cool. Damals hatte man zum Beispiel oft gnadenlos überfüllte Seminare, sodass man als Erstsemester gar keinen Platz bekommen hat. Da saß man auf dem Flur oder wurde direkt wieder nach Hause geschickt. Ich habe auch so viel gewechselt, weil es so eine hohe Fluktuation gab. Heute ist es viel einfacher, mit seinen Kommilitonen als Gruppe zusammenwachsen und Freundschaften zu schließen.

J: Also ich finde die Verschulung schwierig. Wo bliebt denn da die Freiheit beim Studieren?

E: Ja, mir tun die Leute leid, die schnell durchziehen müssen. Ich selbst muss mich ja nicht noch um den Studienkredit sorgen. Aber für Leute, die jetzt mit 18 oder 19 anfangen, ist Studieren echt eine toughe Nummer. Zumal das Niveau auch immer mehr angezogen wird. Ich wundere mich schon, dass die Kids das so mitmachen, sich mitschleifen lassen.

Es ist also auch etwas verloren gegangen?

E: Neben dem permanenten Feiern ist es vor allem das Hineinschnuppern in andere Studiengänge. Wir haben echt noch in der Mensa gesessen, über die Inhalte gesprochen und Bücher gelesen. Das würden wir heute auch gerne machen, schaffen es aber schlichtweg nicht. Denn schon stehen die nächsten Klausuren auf dem Plan.

J: Ich will jetzt nicht wie der Opi klingen, aber damals haben wir auch einfach mal gestreikt. Zum Beispiel vor der Einführung der Mensa-Chipkarte an der Uni Gießen. Das war ein Skandal! Heute kann sich das keiner mehr vorstellen, wo jeder irgendwie alles im Internet raushaut. Am Ende kam die Chipkarte natürlich, aber mit einem eigenen Datenschutzbeauftragten. Vielleicht sollten sich die Leute mehr weigern, statt ein Burnout im Studium einfach hinzunehmen.

Klingt, als wäre Politik ein Thema, das euch bewegt. Auch auf dem neuen Album?

E: Nein, weil wir es nicht können. Das bedeutet nicht, dass wir unpolitisch sind und uns nicht für Sachen einsetzen. Ich kann ja auch einfach sagen „Nazis sind scheiße“, dafür muss ich es nicht singen. Ein kontroverses Thema in einen 3:30-Minuten-Song zu packen, ist mir zu oberflächlich. Da setze mich lieber in eine Talkshow und rede eine Stunde darüber.

Mich persönlich hat euer Song „Geile Zeit“ durch meinen ersten Liebeskummer begleitet. Habt ihr selbst auch so ein Lied, an das immer noch zurückdenkt?

E: Zu „If you don’t know me by now“ von Simple Red habe ich zum ersten Mal mit einem Jungen getanzt. Den fand ich echt total hot. Fabian hieß der, glaube ich. Eigentlich ist das ja ein sehr trauriges Lied. Bei mir vermischt sich das bis heute mit Dingen wie Teenagersein und Schisshaben vor diesen Situationen und Jungs.

J: Bei mir war es „Step by Step“ von New Kids on the Block. Die Dame des Herzens fand das gut. Ich hab dann drei Wochen am Stück diesen Song gehört, um zu verstehen, was sie daran mag. Obwohl ich’s am Ende immer noch furchtbar fand, kriege ich auch heute noch, wenn ich das höre, ein ganz seltsames Gefühl.

Wen wollt ihr mit eurer Musik mittlerweile erreichen – die Juli-Fans, die mit euch mitgewachsen sind, oder ganz neues junges Publikum?

J: Bei Konzerten sieht man ganz gut, dass wohl der überwiegende Teil tatsächlich mitgewachsen ist. Manche waren damals vielleicht so alt wie wir und sind jetzt in unserem Alter und andere waren vielleicht damals einfach noch zu jung, um auf Konzerte zu gehen. Das find ich dann total cool, mir vorzustellen, dass die das jetzt machen können.

E: Wir gehen da jetzt nicht so konzeptionell ran. Also wir sind jetzt nicht Heino und machen ‘ne Rockplatte, damit uns die 18-Jährigen auch cool finden. Wir machen unser Ding und freuen uns über jeden, der das und uns gut findet. Wir machen unser Angebot und freuen uns, wenn die Leute etwas damit anfangen können, egal wie alt die sind.

Foto: Sven Sindt

Foto: Sven Sindt