Comedian Maxi Gstettenbauer im Interview

„Humor bedeutet auch Flucht“

Foto: Marvin Ruppert

Maxi Gstettenbauer ist lustig. Als Podcaster, Moderator und Comedian. Sein neues Buch enthält jedoch keine Witzesammlung, sondern heißt „Meine Depression ist deine Depression“. Darin und hier Interview spricht er über seine Erkrankung.

 

Nora Tschirner, Kurt Krömer, Torsten Sträter und nun auch du: Immer mehr Prominente – vor allem auch Männer – machen ihre Depressionen öffentlich. Verlassen wir endlich die Tabuzone?

Ich glaube, diese Entwicklung hat damit zu tun, dass es generell Menschen in der Öffentlichkeit eher gestattet ist, über dieses Thema zu reden. Und man wird halt nicht bestraft dadurch und es wird eine Öffentlichkeit generiert, die weniger riskant ist als für jemanden, der in einem mittelständischen Unternehmen oder irgendwo im Büro arbeitet, sobald er das irgendwie thematisiert. Und dass das auch immer mehr Männer machen, glaube ich, hat auch einfach damit zu tun, dass es jetzt auch Männern mehr gestattet ist, über ihr Innenleben zu sprechen und das auch zu kommunizieren.

 

Wann hast du die Depression zum ersten Mal bemerkt? Und: Wie fühlt sich das an?  

Also wirklich bewusst wahrgenommen habe ich es mit Anfang 20, als es mir in der Therapie gesagt wurde. Das war für mich so der erste Moment, wo klar wurde: Alles klar, das ist jetzt Phase. Denn vorher war das mein ganz normales Lebensgefühl, also dieses Dumpfe. Ich nenne es immer Nicht-Gefühl. Depression ist für mich die Abwesenheit von Gefühlen, sodass man eben kein normales emotionales Empfinden hat. Das ist das ganz große Problem: Es passieren schöne Dinge, aber man freut sich nicht drüber. Man denkt, das ist halt einfach so, das gehört zum Normalen irgendwie dazu. Doch man hat den Vergleich mit anderen und fragt sich: Was ist da verkehrt? Irgendwas stimmt da nicht mit mir, irgendwas ist nicht in Ordnung. Ich habe wirklich mit diesem Gefühl gelebt, bis es mich umgehauen hat. Eine Depression sorgt dafür, dass man immer so einen inneren Stress hat, weil man ständig am Grübeln ist. Weil man denkt, irgendwas ist nicht in Ordnung und dieser Stresspegel sorgt dafür, dass es zu Panikattacken kommen kann oder es einen – wie in meinem Fall – umhaut. Unterm Strich fühlt sich eine Depression an, als ob man bei einem Videospiel den Schwierigkeitsgrad auf ultraschwer stellt. Und dann sitzt man in der Therapie und sagt sich zum aller ersten Mal, dass man vielleicht einfach eine Krankheit hat, gegen die etwas getan werden kann. Das war für mich in dem Moment eine enorme Erleichterung.

 

Hast du dir sofort professionelle Hilfe gesucht? oder hast du das Ganze – durch das veraltete bild vom „starken Mann“ zunächst verheimlicht und verdrängt?  

Der „starke Mann“ ist ja auch eine Form von Selbstunterdrückung für Männer, sodass man sich das selber einreden muss. Man darf sich jetzt nicht dazu bekennen, man darf da jetzt keine Schwäche empfinden. Ich habe auch so gedacht. Dass ich irgendwie allein damit fertig werden muss. Und professionelle Hilfe habe ich mir nicht gesucht, weil ich nicht wusste, dass ich Depressionen habe. Es musste mich erst umhauen und ein guter Freund musste da sein, der Gott sei Dank die Weisheit besaß, mir zu sagen: „Ey Maxi, suche dir doch mal professionelle Hilfe, das ist nicht ganz normal so.“ Wenn kein anderer Mann zu mir gekommen wäre und das gesagt hätte, dann weiß ich nicht, ob ich sofort Hilfe gesucht hätte.

 

Dein Job als Comedian ist es, lustig zu sein. Das scheint auf den ersten Blick mit Panikattacken und Depressionen nicht zusammenzupassen. Warum ist diese Sicht falsch?  

Weil man in die Leute nicht reingucken kann. Also man ist dann oftmals seiner eigenen Befindlichkeit ausgeliefert, dieser Krankheit. Sodass man da völlig überfordert ist und man einfach selber nicht weiß, wie man da gerade rauskommt. Nach außen funktioniert man dabei trotzdem und hält die Fassade aufrecht. Aber innerlich geht man gefühlt zugrunde. Mit Spaß wird oft viel versteckt und überdeckt. Humor ist ein Weg, damit man nicht über sich reden und nicht zu seinen Gefühlen stehen muss. Da macht man schnell einen Witz, hat sein Ventil und dann kann man darüber hinweggehen. Humor bedeutet auch Flucht. Die Flucht vor sich selbst und die Flucht vor dieser Krankheit.

 

Haben sich die Themen deiner Comedy verändert, seitdem du mit deiner Depression offen umgehst? Wenn ja, wie?  

Man könnte jetzt auf meine Karriere gucken und sagen, er hat am Anfang sehr viel über Computerspiele geredet. Dann hat er ein bisschen über gesellschaftliche und ein bisschen über politische Themen geredet. Und jetzt will der viel über Depressionen und über das Vatersein reden. Aber das Kernthema bei mir ist eigentlich immer das Gleiche gewesen: Das Scheitern an mir und das Scheitern an der Welt. Es mag sein, dass sich die Themen auf der zweiten Ebene verändern, aber das Grundthema ist immer Scheitern.

 

Darf man über das Thema Depression lachen?  

Kommt drauf an. Für mein Buch zum Beispiel habe ich schon einiges an Feedback bekommen. Interessant dabei: Menschen, die nicht betroffen sind, finden es total erhellend. Leute mit Depressionen dagegen finden es wahnsinnig lustig und lachen auch sehr viel. Die sehen den Humor mit ganz anderen Augen und deswegen würde ich behaupten: Ja, wenn der Humor eine gewisse Empathie hat, geht das auf jeden Fall.

 

Auch viele Studierende struggeln gerade seelisch. Was würdest du ihnen sagen?   

Als Erstes: Kenn ich. Und angesichts der Weltlage ist das absolut menschlich und verständlich. Als Zweites würde ich raten: Sucht euch Hilfe! Auch wenn das leider nicht so einfach ist, weil Therapieplätze knapp sind. Es gibt häufig auch psychologische Beratungen in den Studentenwerken der Unis, das kann ein Anfang sein. Bleibt in jedem Fall dran und habt keine Angst. Es ist keine Schande zu sagen, dass man mit seinem Latein gerade am Ende ist. Um Hilfe zu bitten, ist nichts Passives, sondern ein aktiver Schritt nach vorn.