KI-Experte im Interview
„Routine-aufgaben fallen weg, spannende Tätigkeiten kommen dazu“
Künstliche Intelligenz (KI) wird unser Leben und die Arbeitswelt verändern. Doch was kommt da eigentlich auf uns zu? Prof. Dr. Christian Stummeyer – unter anderem Inhaber der Professur „Wirtschaftsinformatik und Digital Commerce“ an der TH Ingolstadt und wissenschaftlicher Leiter von AININ, dem bayerischen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz – hat Antworten.
Herr Prof. Dr. Stummeyer, welchen Einfluss wird KI in Zukunft auf die Arbeitswelt haben?
KI wird die Arbeitswelt in vielen Branchen verändern, indem sie Routineaufgaben automatisiert und die Effizienz steigert. Besonders stark wird dieser Wandel in Bereichen wie Produktion, Logistik und Kundendienst zu spüren sein, da KI hier repetitive Prozesse optimal unterstützen kann. Kreative Branchen, die auf innovative Problemlösungen angewiesen sind, werden weiterhin auch auf menschliche Expertise setzen, allerdings können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die neuen KI-Systeme nutzen, um Inhalte wie Texte, Bilder und Filme zu generieren.
Können Sie ein paar Beispiele nennen, wie KI den Arbeitsalltag verbessert und vereinfacht?
In der Gesundheitsbranche kann KI beispielsweise dabei helfen, medizinische Diagnosen schneller und genauer zu stellen, indem sie komplexe Datenmuster in Bildaufnahmen erkennt und den Facharzt bei der Diagnose unterstützt. In der Finanzwirtschaft ermöglicht KI eine präzisere Risikobewertung und hilft bei der Vorhersage von Markttrends, was Investitionsentscheidungen erleichtert. Ebenso profitieren Medienunternehmen durch neue, sehr leistungsfähige Systeme der Generativen KI zum Beispiel bei der Produktion von Filmen.
Gibt es Berufsfelder, die von KI gar nicht berührt werden?
Kaum ein Berufsfeld bleibt vollständig unberührt, aber kreative Tätigkeiten in Kunst, Musik und Design erfordern weiterhin menschliche Inspiration und echte Kreativität. Auch Berufe, die auf einem tiefen emotionalen Einfühlungsvermögen basieren, wie Psychotherapie oder Kinderbetreuung, werden in den nächsten Jahren nur schwer durch KI ersetzt werden. Dennoch könnten auch in diesen Bereichen KI-Tools unterstützend eingesetzt werden, ohne die menschliche Komponente zu ersetzen.
Welche Berufe wird es durch KI-Einsatz irgendwann nicht mehr geben?Tätigkeiten, die sich stark auf wiederholbare Routineprozesse stützen, wie in der Datenverarbeitung oder in der Kundenbetreuung, könnten weitgehend automatisiert werden. Auch einfache Produktionstätigkeiten könnten durch Roboter und KI ersetzt werden. Dies bedeutet gleichzeitig, dass sich die beruflichen Anforderungen zunehmend in Richtung technischer Fähigkeiten und Problemlösungskompetenzen verlagern. Routineaufgaben fallen weg, spannende Tätigkeiten kommen dazu.
Und welche Berufe werden neu entstehen?
Berufe wie Data Scientist, Berater für KI im Unternehmen oder Experte für Datenethik. Diese erfordern meist spezifische Kenntnisse in Datenanalyse und Codierung sowie ein Verständnis von maschinellem Lernen oder künstlichen neuronalen Netzen. Für die effektive Nutzung von KI ist ein grundlegendes Verständnis der Technologie und ihrer Anwendungen entscheidend. Erfreulicherweise werden die Hürden, KI-Systeme selbst zu nutzen, in der Zukunft noch geringer. Schon heute braucht es kein Informatikstudium mehr, um mit einem Large Language Model Texte zu generieren oder selbst ein Musikstück mit einer KI zu komponieren, denn viele Systeme der Generativen KI sind inzwischen massen- und laientauglich.
Welche Fähigkeiten werden durch den Einsatz von KI wichtiger?Kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten werden zunehmend wichtig, da Menschen lernen müssen, mit KI-Systemen zusammenzuarbeiten und deren Entscheidungen zu hinterfragen, auch in ethischer Hinsicht. Kommunikationsfähigkeiten und Teamarbeit bleiben weiterhin wichtig, wenn KI-gesteuerte Prozesse im Team umgesetzt werden sollen. Auch Anpassungsfähigkeit und lebenslanges Lernen sind gefragt, um die kontinuierlichen technologischen Veränderungen zu bewältigen. Zudem wird der gesunde Menschenverstand wichtiger, wenn der Output von KI-Systemen beurteilt werden muss.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Wir Menschen müssen in der Zukunft mehr Disziplin aufbringen, um die grundlegenden Kulturfähigkeiten sicher zu erlernen. Es ist einfach und sehr verlockend, ein leistungsfähiges Large Language Model zu nutzen, um sich einen langen Text schnell und sicher zusammenfassen zu lassen. Trotzdem müssen wir Menschen lernen, mit komplexen Texten selbst zu arbeiten. Wir müssen diese Fähigkeiten weiterhin erwerben, so wie wir auch trotz Taschenrechner das Einmaleins erlernen müssen, damit wir nicht von der Technik abhängig sind. Zudem könnten manche Arbeitnehmer Schwierigkeiten haben, mit dem weiter beschleunigten Tempo der technologischen Veränderungen Schritt zu halten.
Wie steht denn Deutschland beim Einsatz und bei der Vorbereitung auf KI da?
Ehrlicherweise spielt Deutschland beim Thema KI eher im Mittelfeld als an der Spitze. Große Konzerne sind häufig gut positioniert, aber insbesondere im deutschen Mittelstand besteht noch deutliches Potenzial für die Nutzung von KI-Systemen. Mittelständler müssen aufpassen, dass sie hier nicht über die Zeit weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Im Bereich Forschung und Bildung gibt es in einzelnen Bundesländern herausragende KI-Initiativen, zum Beispiel in Bayern durch die High-Tech-Agenda.
Was raten Sie denen, die Sorgen oder regelrecht Angst vor KI haben?Menschen sollten sich bewusst mit KI auseinandersetzen und die enormen Chancen und das Potenzial für den eigenen Bereich, sei es beruflich oder privat, erkennen. Dazu braucht es Mut, Neugierde, Offenheit und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Die Herausforderungen und ethischen Fragen können dann entsprechend positiv gestaltet werden. In den nächsten Jahren wird es ein neues Dreamteam geben, in dem Mensch und KI hybrid zusammenarbeiten. Dadurch wird unsere Arbeitswelt einfacher, effizienter und spannender.