Traineeprogramme: Sprungbrett ins Arbeitsleben

Gut im Training

Verena Schweinstetter (re.) absolviert ein Traineeprogramm beim Optikkonzern Zeiss.
Foto: Zeiss

Hochschulabschluss – und dann? Traineeprogramme bieten einen strukturierten Berufseinstieg, bei dem Praxiserfahrung und Weiterbildung im Vordergrund stehen. Außerdem können sie helfen, frühzeitig berufliche Netzwerke aufzubauen. Drei Trainees berichten, warum sie sich gegen einen Direkteinstieg entschieden haben und was man als Trainee mitbringen sollte.

Vom Schreibtisch in den Operationssaal

Das Operationsmikroskop, dessen Platine Verena Schweinstetter programmiert, wird Chirurg:innen später helfen, selbst feinste Strukturen im Gehirn und an der Wirbelsäule ihrer Patient:innen zu erkennen und präzise Eingriffe durchzuführen. „Während meines Studiums wurde mir schnell klar, dass ich etwas machen möchte, mit dem ich Menschen helfen kann. Deshalb habe ich mich im Master auf Medizintechnik spezialisiert“, erzählt 24-Jährige, die „Computational Science and Engineering“ in Ulm studiert hat. Als Trainee bei dem Technologieunternehmen Zeiss, das auf Optik und Optoelektronik spezialisiert ist, entwickelt sie nun Software für medizintechnische Produkte, die weltweit in Operationssälen zum Einsatz kommen.

Am Ende des Studiums stellte sich die Softwareentwicklerin die Frage: Promotion oder doch in die freie Wirtschaft? „Ich hatte zwar schon einige Praktika und Nebenjobs gemacht, aber ein Direkteinstieg schien mir ein ziemlich großer Schritt zu sein.“ Schließlich entschied sie sich für eine andere Option: ein Traineeprogramm. Traineeprogramme sind darauf ausgerichtet, Hochschulabsolvent:innen systematisch auf zukünftige Führungs- oder Fachaufgaben im Unternehmen vorzubereiten. Der Vorteil gegenüber einem Direkteinstieg: Indem sie verschiedene Abteilungen durchlaufen, entwickeln die Trainees ein umfassendes Verständnis der Unternehmensstruktur und -prozesse. Dabei erhalten sie in der Regel Unterstützung durch erfahrene Kolleg:innen oder Mentor:innen, die ihnen bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung helfen.

„Für mich ist das Traineeprogramm genau der richtige Einstieg ins Berufsleben, weil ich mich nicht von Anfang an festlegen muss, sondern Einblicke in verschiedene Unternehmensbereiche bekomme. Das hilft mir herauszufinden, wo genau meine Talente, Interessen und Stärken liegen. Und es ist eine Zusatzausbildung, mit der ich mein Fachwissen erweitern kann, bevor ich mich für eine Richtung entscheide.“ Nachdem Schweinstetter im Rahmen des Traineeprogramms bei Zeiss zunächst in der Augenheilkunde gearbeitet hat, wo sie an der Programmierung eines Operationsgeräts mitgewirkt hat, das zur Entfernung der trüben Augenlinse beim Grauen Star verwendet wird und mit dem Ärzt:innen die Sehkraft ihrer Patient:innen verbessern können, ist sie derzeit in der Mikrochirurgie eingesetzt. Geplant ist auch ein Aufenthalt in einer der Auslandsniederlassungen des Unternehmens.

Üblicherweise werden Traineeprogramme durch spezielle Fortbildungen, Trainings und Seminare ergänzt, um die fachlichen und persönlichen Kompetenzen der Trainees zu fördern. Verena Schweinstetter absolviert beispielsweise Schulungen zu Themen wie Projektmanagement oder Softwareentwicklung für Medizinprodukte. Auch Coachings sind Teil des „Graduate Program“, wie das Traineeprogramm bei Zeiss genannt wird. Voraussetzung für die Bewerbung sind unter anderem praktische Erfahrungen im jeweiligen Fachbereich sowie fließende Englischkenntnisse.

Orientierungsmöglichkeit und Karrieresprungbrett

Olivia Röthemeyer, Foto: Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG

Ein weiterer Vorteil eines Traineeprogramms: Als Trainee erhält man die Möglichkeit, sich frühzeitig im Unternehmen zu vernetzen und viele Kontakte zu knüpfen. Diese Erfahrung macht auch Olivia Röthemeyer. Die 28-Jährige absolviert ein internationales Traineeprogramm mit dem Schwerpunkt „Finance Controlling“ beim Lebensmittelhersteller Dr. Oetker in Bielefeld. „Als Trainee arbeite ich mich in kurzer Zeit in viele verschiedene Themen und Aufgabenbereiche ein, lerne unterschiedliche Kollegen, Vorgesetzte und Teamstrukturen kennen und bekomme viele neue Impulse“, so Röthemeyer. „Das ist später sehr hilfreich, denn wir haben hier viele Projekte, bei denen Teams über Abteilungsgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Da ist es gut zu wissen, an wen ich mich bei Fragen wenden kann und wie die verschiedenen Teams organisiert sind.“

Die regelmäßigen Abteilungswechsel erfordern aber auch eine gewisse Anpassungsfähigkeit. „Man muss offen sein für neue Aufgaben und neue Kolleginnen und Kollegen, aber auch dafür, herauszufinden, wohin man will. Denn anders als bei einem Direkteinstieg habe ich im Traineeprogramm die Möglichkeit, mich auszuprobieren und für mich zu reflektieren, was mir im Arbeitskontext wichtig ist.“ Voraussetzungen für das Traineeprogramm bei Dr. Oetker sind ein sehr guter Masterabschluss, internationale Erfahrung wie zum Beispiel ein Auslandssemester und verhandlungssichere Englischkenntnisse. Die Auswahl der Trainees erfolgt im Rahmen von zwei Recruiting Days mit einem Assessment-Center und mehreren Vorstellungsgesprächen. „Das Wichtigste ist, authentisch zu sein. Es bringt nichts, sich im Bewerbungsprozess zu verstellen, denn man hat ja auch selbst ein Interesse daran, herauszufinden, ob das Programm und das Unternehmen zu einem passen.“

Die Laufzeit des Traineeprogramms beträgt 18 Monate, im Schnitt wechseln die Trainees alle zwei bis drei Monate das Team. Welche Abteilungen sie kennenlernt und wie viel Zeit sie dort verbringt, legt Röthemeyer größtenteils selbst fest. Die meisten Stationen sind im Controlling, aber sie lernt auch Unternehmensbereiche wie Marketing und Vertrieb kennen. Auch ein mehrmonatiger Auslandsaufenthalt ist vorgesehen. Aktuell ist Röthemeyer, die einen Masterabschluss in „Accounting, Controlling & Finance“ hat, im internationalen Controlling des Unternehmens eingesetzt.

Das Traineeprogramm bei Dr. Oetker gibt es bereits seit 45 Jahren. Viele ehemalige Teilnehmer:innen arbeiten noch immer im Unternehmen, darunter auch viele in Führungspositionen. „Es gibt hier eine große Community aus aktuellen und ehemaligen Trainees, die sich regelmäßig austauschen“, erzählt Röthemeyer. Die Trainees bei Dr. Oetker sind vom ersten Tag an in das Tagesgeschäft eingebunden, bearbeiten eigene Projekte und übernehmen damit frühzeitig Verantwortung.  „Dadurch, dass man so viele Stationswechsel hat, bekommt man auch viel Feedback. Damit muss man umgehen können. Ich finde das positiv, weil ich mich dadurch weiterentwickeln kann. Wichtig ist auch, unternehmerisch zu denken und zu handeln, und man braucht eine gewisse Macher-Mentalität, weil das Arbeitsumfeld sehr dynamisch ist.“

Orientieren und ausprobieren

Felix Zimmermann, Foto: EDEKA

„Da man als Trainee gefühlt jeden Tag mit anderen Menschen zu tun hat, sollte man auf jeden Fall kommunikativ sein und sich nicht scheuen, immer wieder neue Aufgaben zu übernehmen“, bestätigt Felix Zimmermann. Der 25-Jährige absolviert ein Traineeprogramm im Finanz- und Rechnungswesen in der Zentrale des Lebensmitteleinzelhändlers Edeka in Hamburg. Vor seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre hatte er bereits eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei einem Lebensmitteldiscounter abgeschlossen. „Für mich war klar, dass ich nach dem Studium wieder im Lebensmitteleinzelhandel arbeiten möchte, weil mir das kaufmännische Denken liegt. Im Bewerbungsprozess für die Traineestelle habe ich von meinen Vorerfahrungen definitiv profitiert.“

Insgesamt sieben Stationen durchläuft Felix Zimmermann während des 18-monatigen Programms. „Der Arbeitsalltag ist von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich. Mal beschäftige ich mich mit Steuern oder Jahresabschlüssen, bin viel in Projektarbeit eingebunden, dann arbeite ich vier Wochen in einem unserer Märkte mit und lerne eine unserer Regionalgesellschaften kennen“, erzählt Zimmermann. „Jeder Einsatz beginnt mit einer Einarbeitung, dann übernimmt man je nach Fachwissen relativ schnell eigene Projekte. Das Thema, das mich bisher am meisten angesprochen und interessiert hat, ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung.“ Die neue EU-Verordnung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll Greenwashing eindämmen und sicherstellen, dass die von Unternehmen veröffentlichten Nachhaltigkeitsinformationen tatsächlich korrekt und verlässlich sind. Zu diesem Thema hat Zimmermann auch seine Bachelorarbeit geschrieben. „Es macht Spaß, sich mit einem so zukunftsträchtigen Thema zu beschäftigen und ganz neue Prozesse zu etablieren.“ Für das Traineeprogramm würde er sich jederzeit wieder entscheiden. „Für mich ist es die ideale Möglichkeit, mich zu orientieren und gleichzeitig wertvolle Kontakte zu knüpfen.“