Kolumne: Digitale Lehre oder digitale Leere?

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Eine Ode an den Offline-Campus

Foto: Pexels/Elijah O’Donnell

Kolumne: Digitale Lehre oder digitale Leere?

Zum Beginn des zweiten weitgehend virtuell stattfindenden Semesters mischt sich ein Hauch Melancholie und Sehnsucht in den Semesterstart. Denn auch wenn digitales Studieren durchaus Vorteile mit sich bringt, so wollen wir doch einige Aspekte der Offline-Lehre niemals missen.

Für mich sind es vor allem Kleinigkeiten, die virtuell verloren gehen: Die scheinbar mit Wissen und Zukunftslust angereicherte Uni-Luft atmen zu können und nicht den WG-Mief, weil bereits zum vierten Mal hintereinander Bohneneintopf gekocht wird. Oder dieses kitzelnde Glücksgefühl, wenn ich den Audimax durchschreite und ich daran denken muss, welch kluge Köpfe vielleicht vor Jahrzehnten und Jahrhunderten bereits durch diesen Raum gewandelt sind.

Und so sehr mich die aktuellen klugen Köpfe meiner Uni manchmal auch genervt haben, so fehlt mir der Austausch mit Kommiliton*innen jetzt doch enorm. Allein zuhause vor dem Laptop vermisse ich wissenschaftliche Diskussionen, die über den Stoff der Lehrveranstaltung hinausgehen und ganz neue Perspektiven aufzeigen. Ich vermisse auch das absolut unwissenschaftliche Tratschen über Lehrende, gemeinsames Pauken in der Bibliothek bis spät in die Nacht, und sogar die Erinnerung an kollektive Nervenzusammenbrüche kurz vor der Seminararbeitsabgabefrist, löst mittlerweile wehmütige Sehnsucht nach dem Miteinander des Studierens aus. Und den Frust über das Lernpensum ablassen, ist via Zoom leider nur halb so heilsam.

Auch wenn ich es liebe, an meinen Seminaren in Kuschelklamotten auf dem Sofa teilnehmen zu können, vermisse ich angeregte Diskussionen, die im Seminarraum entstehen und in der virtuellen Lehre nie so ganz in Schwung kommen. Weil ein Großteil des Austauschs aus „Ich hoffe, man kann mich hören. Versteht ihr mich gut?“, „Anna, du bist stummgeschaltet. Du musst auf da Mikrofon klicken… Nein, nicht auf die Kamera, jetzt ist dein Bild weg!“ und „Nein, da ist keine Baustelle bei mir im Haus, das ist nur die Lüftung meines Laptops!“ besteht.

Während ich im Sommersemester das Studieren online gefeiert habe, ohne schwitzig-stickige Vorlesungssäle, stattdessen auf dem Balkon mit einem Cocktail in der Hand, bringt das virtuelle Herbstsemester die Sehnsucht nach dem Campus mit sich. Absence makes the heart grow fonder und mein Herz sehnt sich sehr danach, im warmen Hörsaal den Lehrenden zu lauschen und dem Laub beim Fallen zuzusehen. Und ja, vielleicht fügt sie auch noch eine Prise Idealisierung hinzu, das gebe ich zu. Sicher ist, dass ich den Uni-Alltag bewusster genießen werde, wenn wir irgendwann zu einer neuen Normalität übergehen.

Manchmal fühlt es sich fast an, als würden besonders die schönen, beflügelnden Seiten des Uni-Alltags wegfallen – was bleibt, ist Produktivität. Und wenn du zu den Personen gehörst, die das Schöne brauchen, um da Produktive zu nähren, dann bleibt die digitale Lehre eine sinnvolle Lösung für eine Pandemie (I give her that…), aber sie wird nie vollkommen befriedigend sein. In diesem Sinne: Bis bald hoffentlich, lieber Campus!