Wo soll's denn hingehen?
Wo soll’s denn hingehen?
Mit der Antwort auf diese Frage können sich Trainees in der Regel mehr Zeit lassen als andere Berufsanfänger*innen. Anders als ein Direkteinstieg bietet ein Traineeprogramm nämlich die Chance, sich erst einmal zu orientieren und verschiedene Unternehmensbereiche kennenzulernen. Meist entstehen dabei wertvolle Netzwerke, die einem später nützen. Gesucht werden dabei Absolvent*innen aus ganz verschiedenen Bereichen – von Betriebswirtschaft bis Ingenieurwesen.
Lucas Mencks Wecker klingelt heute deutlich früher als zu Studienzeiten: Jeden Morgen um 6:30 Uhr findet sich der Trainee im Produktionswerk des Süßwarenherstellers Haribo ein. Hier prüft er als Erstes, wie die Maschinen am Vortag gearbeitet haben. Gab es einen Ausfall oder andere Auffälligkeiten im Produktionsablauf, fahndet der Ingenieur nach der Ursache und versucht, das Problem zu lösen.
Jeden Tag neue Aufgaben
Müssen Produktionsanlagen gewartet oder umgebaut werden, übernimmt er die Koordination. „Da sich das Werk im Aufbau befindet, kommen jeden Tag neue Aufgaben dazu. Ich kümmere mich darum, dass sich die Produktions- und Verpackungsabläufe bestmöglich einspielen und die Maschinen optimal laufen“, erklärt der 25-Jährige. Dazu gehört auch, dass er regelmäßig Schulungspräsentationen für die Werksmitarbeiter*innen erstellt. „Das Organisieren und Abstimmen mit der Belegschaft liegen mir besonders. Ich sorge gerne dafür, dass jeder weiß, wer was macht und dass an alles gedacht ist.“
Von der Rohstoffannahme bis zur Endfertigung: Als Technik-Trainee durchläuft Lucas Menck bei Haribo alle Stationen der Produktion in dem 50.000 Quadratmeter großen Werk in Grafschaft in Rheinland-Pfalz. „Die Kollegen nehmen sich viel Zeit, mir die Prozessabläufe und die verschiedenen Maschinen im Detail zu erklären. Im ersten halben Jahr stand das Lernen und Verstehen klar im Vordergrund, trotzdem konnte ich schon praktisch mitarbeiten. Mein Highlight: eine Produktionsanlage komplett eigenständig fahren“, erzählt Lucas Menck, der Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau studiert hat.
Hineinschnuppern in jeden Winkel des Unternehmens
Auch Nina Lieb hat sich nach der Uni bewusst für ein Traineeprogramm und gegen einen Direkteinstieg entschieden: „Zwar verantwortet man bei einem Direkteinstieg meist sehr schnell ein eigenes Themengebiet, andererseits legt man sich damit eben auch von vorneherein auf einen bestimmten Bereich fest“, sagt die 26-Jährige, die ein eineinhalbjähriges Traineeprogramm bei der REWE-Unternehmensgruppe in Köln absolviert.
„Als Trainee hat man die Chance, Einblicke in verschiedene Abteilungen zu bekommen, die man sonst nie oder zumindest nicht so detailliert kennenlernen würde. Trotz Zielbereich gibt es keinen fixen Plan für den Ablauf des Programms und ich kann selbst Schwerpunkte bestimmen.“ Nach einem halben Jahr hat sie bereits in der Logistik, dem Marketing und Controlling mitgearbeitet, als Nächstes stehen die Bereiche Eigenmarkeneinkauf und Nachhaltigkeit auf dem Plan. Je nach Aufgabenbereich ist auch ein Auslandseinsatz möglich. „Durch die vielen Wechsel fängt man immer wieder neu an, das muss man mögen. Es sollte einem nichts ausmachen, sich immer wieder neu vorzustellen und regelmäßig ins kalte Wasser zu springen.“ Unterstützung erhält sie dabei von einer Mentorin, außerdem besucht sie, wie viele Trainees, regelmäßig Schulungen zu Themen wie Projektmanagement oder Rhetorik.
Zwischen Vor-Ort-Sein und Vorm-Laptop-Sitzen
„Als Trainee lernt man viel mehr Kolleginnen und Kollegen als beim Direkteinstieg kennen und kann sich so ein Netzwerk im Unternehmen aufbauen“, sagt Marius Krabiell, der vor Kurzem sein Traineeprogramm bei der Deutschen Bahn beendet hat. Einen Großteil seines Arbeitsalltags verbringt der 28-Jährige in Projekten an verschiedenen Instandhaltungsorten der Bahn. Etwa alle sechs Monate wechselt er das Projekt. Aktuell ist er für die S-Bahnen in München und Stuttgart zuständig. Als Senior Referent in der Abteilung Operative Exzellenz – kurz OPEX –, in der er auch sein Traineeprogramm absolviert hat, verbessert er gemeinsam mit Mitarbeiter*innen und Führungskräften die Arbeitsprozesse vor Ort in den Werken, um die Qualität und Produktivität zu steigern.
Die wichtigste Regel dabei: „Was unseren Fahrgästen keinen Mehrwert bringt, wird weggelassen oder reduziert.“ Wartet zum Beispiel ein Fahrzeug in der Halle, ohne dass daran gearbeitet wird, oder müssen Mitarbeiter*innen auf Fahrzeuge warten, haben die Fahrgäste davon nichts. „Ich helfe den Mitarbeitern vor Ort, solche Probleme zu lösen. Und zwar so, dass sie nicht mehr auftreten und die Kollegen anschließend in der Lage sind, selbst Lösungen für ähnliche Probleme zu finden“, erklärt Marius Krabiell, der einen Master in Wirtschaftsingenieurwesen und in Engineering Management hat.
Wenn er nicht gerade im Coaching oder Workshop mit Handwerker*innen, Gruppenführer*innen, Meister*innen oder Bereichsleiter*innen ist, findet man den Ingenieur am Laptop, wo er Datenanalysen durchführt oder Workshops vorbereitet. Außerdem spielt die Begleitung von Prozessen vor Ort eine wichtige Rolle im Arbeitsalltag. „Das perfekte Ende eines Arbeitstages ist für mich, wenn die Kollegen zu mir kommen und sagen: ‚Das was wir hier erarbeitet haben, hilft ja wirklich jeden Tag!‘“
Früh Kontakt zum Unternehmen knüpfen
Es gefällt Marius Krabiell, in einem Unternehmen zu arbeiten, dessen Produkt von jedem Bürger und jeder Bürgerin genutzt werden kann. „Dadurch sind wir viel näher am Kunden als ein Stahlerzeuger oder Autohersteller.“ Für das Bewerbungsgespräch empfiehlt Marius Krabiell, authentisch aufzutreten und sich vorab ein Grundwissen über aktuelle Unternehmensthemen anzueignen. „Allerdings zählt bei Trainees der persönliche Aspekt deutlich mehr als der fachliche. Abgesehen davon kann man gut punkten, indem man in Rollenspielen und Gesprächen proaktiv ist. Mein zusätzlicher Tipp: gute Laune und ein Lächeln.“
Obwohl Nina Lieb bereits während ihres Studiums als Praktikantin und Werkstudentin bei REWE gearbeitet hatte, durchlief auch sie den ganz normalen Bewerbungsprozess mit Online-Test, Telefoninterview, Assessment-Center und einem Vorstellungsgespräch mit der Geschäftsführung. „Trotzdem war es sicherlich ein Türöffner, dass ich das Unternehmen bereits kannte.“ Sie rät Bewerber*innen deshalb, schon vorab Kontakt zur Personalabteilung aufzunehmen – zum Beispiel auf Jobmessen oder über berufliche Online-Netzwerke wie LinkedIn oder Xing. „Dann geht man in der Bewerberflut nicht so leicht unter. Im Assessment-Center ist es wichtig, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, denn dort wird vor allem getestet, wie man mit stressigen Situationen umgeht“, berichtet Nina Lieb, die einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften und einen Master in Business Administration hat.
Die Theorie in der Praxis testen
Ihr Ziel ist es, im Anschluss an das Traineeprogramm als Category Managerin ihre eigene Warengruppe bei der Lebensmitteldiscounter-Kette Penny zu leiten, die Teil der REWE Group ist. Category Manager entscheiden über das Sortiment eines Supermarkts und verhandeln mit den Lieferanten über Preise. „Dafür ist es hilfreich, dass ich im Studium gelernt habe, analytisch und ökonomisch zu denken und Zahlen zu interpretieren.“ Sie analysiert beispielsweise, welche Waren sich gut verkaufen, recherchiert Trends und Neuheiten und plant, welche Produkte beworben werden sollen und wo sie ihren Platz auf der Verkaufsfläche finden.
Ganz gleich, ob Obst, Süßigkeiten oder Käse: Jedes Lebensmittel wird verkostet und bewertet, bevor es im Supermarktregal landet. Aus diesem Grund zählen auch wöchentliche Verkostungen zu Nina Liebs Aufgaben. Regelmäßige Praxiseinsätze in den Märkten gehören ebenfalls dazu. Dort packt sie nicht nur mit an, sondern prüft auch, wie gut die Maßnahmen, die sie in der Zentrale konzipiert, in der Praxis funktionieren. „Wenn ich dabei dann sehe, wie meine eigenen Entscheidungen Auswirkungen auf über 2000 Penny-Märkte haben, ist das schon eine beeindruckende Größenordnung.“