Frauen führen im Handel
Frauen führen im Handel
Der Handel gehört zu den Branchen in Deutschland, in denen die meisten Führungspositionen von Frauen besetzt sind. Männer-Seilschaften und die „gläserne Decke“, die woanders oft den Aufstieg für Frauen erschweren, scheint es hier etwas weniger zu geben. Diese drei weiblichen Leader machen es vor.
Mode-Liebe zum Job gemacht
Wenn sie über ihren Job spricht, gerät Amke de Boer ins Schwärmen: „Schon als Kind habe ich es geliebt, mit meiner Familie in großen Kaufhäusern einkaufen zu gehen. Mode war schon immer eine große Leidenschaft von mir. Sich auch beruflich mit den ‚schönen Dingen‘ auseinanderzusetzen, empfinde ich als großes Glück.“ Die Frau, die als junges Mädchen schon die Mode-Welt liebte, ist heute Sales Managerin bei Peek & Cloppenburg (P&C) und Teil der Geschäftsleitung des „P&C-Weltstadthauses Düsseldorf“.
Als Sales Managerin muss sich die 29-Jährige unter anderem um Personaleinstellung und -coaching sowie die Betreuung der Führungskräfte und Azubis kümmern. Gleichzeitig hat sie täglich die Zahlen und Umsätze im Verkauf im Blick, muss Entwicklungen beobachten, Lösungen ableiten und Konzepte auf den Verkaufsflächen anstoßen. Dabei musste Amke nicht erst für das Führen von Mitarbeitern begeistert werden: „Ich war schon immer der Typ, der aus sich heraus vorangeht, der sich und andere motivieren kann. Das gebe ich gerne weiter.“
Ihr Arbeitstag beginnt meist um 9.30 Uhr im Büro mit einem Blick in die Mails und Kennzahlen des Vortages und des laufenden Monats. Aber der Job besteht bei weitem nicht nur aus Schreibtisch-Arbeit. „Insgesamt verbringe ich den Arbeitstag ungefähr zu gleichen Teilen auf der Verkaufsfläche und im Büro.“ Nach dem Checken der Mails und Zahlen geht es dann auch gleich los zum Hausrundgang: Austausch mit den Abteilungsleitern zu möglichen Optimierungen der Warenpräsentation. Zurück im Büro stehen dann meist Personalgespräche oder Gespräche mit den einzelnen Fachbereichen an. Der Tag endet stets mit einem erneuten Hausrundgang und der Verabschiedung des Teams.
In regelmäßigen Abständen finden zudem Aktionen und Veranstaltungen außer der Reihe statt. Zum Beispiel der „Special Day“ zu Beginn der Saison mit buntem Rahmenprogramm auf allen Etagen, der „Azubi-Tag“ oder ein exklusives Abend-Event mit rotem Teppich. „Im Austausch mit den Kollegen aus den Zentralbereichen wuppen wir diese Termine sehr gut, indem Flächen geschaffen, Verantwortlichkeiten definiert und Mitarbeiter gebrieft werden“, erzählt Amke. „Für mich gilt es dann, meine eigentlichen Aufgaben flexibel zu jonglieren, um allen gerecht zu werden.“
Vor ihrer Karriere bei P&C hat sich Amke zunächst zur Einzelhandelskauffrau und Handelsfachwirtin ausbilden lassen, wurde danach staatlich geprüfte Betriebswirtin und war vor ihrer jetzigen Position als Führungskraft schon Abteilungsleiterin in verschiedenen P&C-Verkaufshäusern. „Auf meinem Weg vom Azubi bis jetzt habe ich bei P&C und außerhalb des Jobs viele Personen kennengelernt, die mich auf verschiedene Weisen geprägt haben. Wichtig war für mich immer, authentisch zu bleiben und meine offene Persönlichkeit nie zu verlieren.“ Dabei unabdingbar: Man muss für seinen Beruf brennen. „Natürlich ist das Arbeitspensum hoch – gerade im Handel mit langen Arbeitstagen. Eine gute Planung ist daher auch im Privaten das A und O.“ Jungen Frauen, die eine Führungsposition anstreben, rät sie, sich vor allem zunächst selbst zu finden, auch anhand von Vorbildern. „Und sich dann treu zu bleiben – damit bin ich bisher sehr gut gefahren.“
Mit 25 Jahren Chefin von rund 120 Mitarbeitern
Lidl ist eine echte deutsche Erfolgsgeschichte: 10.800 Filialen in 29 Ländern auf der Welt mit ungefähr 287.000 Mitarbeitern. Für Sarah Brückmann war nach ihrem Studium der Wirtschaftspsychologie und ihrer Tätigkeit als Werkstudentin in einer Lidl-Filiale in Dortmund daher klar, dass sie bei der Lidl-Stiftung ins Berufsleben einsteigen wollte: „Hier war das Traineeprogramm im Personalbereich perfekt für mich.“ In 18 Monaten lernte sie das Personalmarketing und -controlling, das Marketing und vier Monate lang Lidl Belgien und Luxemburg im Vertrieb kennen. „Besonders hat mir die Tätigkeit des Verkaufsleiters gefallen. Ein Team von rund 120 Mitarbeitern und bis zu sechs Filialen zu führen und hierbei nicht nur die Mitarbeiter und Kennzahlen zu verantworten, sondern sich regelmäßig auch um Schwerpunktthemen, wie zum Beispiel die Inventur, zu kümmern, hat mich an der Position gereizt.“ Heute hat sie dieses Ziel erreicht: Mit gerade einmal 25 Jahren arbeitet sie als Verkaufsleiterin.
Dabei wollte Sarah ursprünglich eine ganz andere Richtung einschlagen: „Schon in der Grundschule war mein Traumberuf Lehrerin, weil es mir Spaß macht, anderen etwas zu erklären und zu sehen, dass sie es verstehen, anwenden und sich so weiterentwickeln. Damals wusste ich noch nicht, dass es das Führen von anderen ist, was mich daran so reizt. Das habe ich dann im Studium bemerkt, als ich auch von meinen Dozenten inspiriert wurde, die alle aus der freien Wirtschaft kamen.“
Ihre Arbeit besteht, wie so oft im Handel, aus vielen Zahlen und reichlich Umgang mit Menschen. „Wenn ich meine Mitarbeiter weiterentwickle, optimiere ich gleichzeitig die Kennzahlen und die Konzepte können besser umgesetzt werden. Meine Mitarbeiter täglich aufs Neue zu motivieren, ihr Bestes zu geben, und dabei auf unterschiedliche Persönlichkeiten einzugehen, ist das, was mir an meinem Job am meisten Spaß macht.“ Empathie und Durchsetzungsvermögen seien daher die wichtigsten Fähigkeiten einer Führungskraft. Und auch die Lust darauf, ins kalte Wasser geworfen zu werden. Denn schon in der Einarbeitungsphase übernimmt man viel Verantwortung.
Lidl sei ein Unternehmen, bei dem einem oder einer alle Türen offen stünden, betont Sarah. Egal, ob Mann oder Frau, jeder habe das der Position entsprechende Gehalt und die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten. Bei den Filialleitern gebe es sogar mehr Frauen als Männer. Für Frauen, die selbst eine Führungsposition anstreben, hat sie einen ganz simplen Tipp: „Selbstbewusst sein und einfach machen!“
Ein Praktikum als Startschuss für die Management-Karriere
Um sie herum redeten alle immer vom Handel – das machte Dorothea Hanke neugierig. Während eines Semesterpraktikums bei einem Lebensmittelhersteller bekam die heute 36-Jährige mit, wie vielseitig und hoch die Herausforderungen der Handelswelt sind und fühlte sich sofort angesprochen. Mit besonderen Aktionen schnell auf den Wettbewerbsdruck zu reagieren, die Internationalität in vielen Handelshäusern – all das weckte ihr Interesse.
Nach ihrem Studium der Internationalen BWL an der „International Business School Furtwangen“ absolvierte Dorothea Stationen im Projektmanagement, wurde Vorstandsreferentin und Referentin für strategische Planung. Heute steht auf ihrer Visitenkarte „Leitung Strategie Qualitätsmanagement, REWE Group Buying“.
„Mein Tag wird stark dominiert von Terminen. Parallel trudeln Mails ein, die abgearbeitet werden wollen. Wenn wir Abgabefristen haben, werden Präsentationen oder Kalkulationen abgestimmt. Das kann im Termin stattfinden oder auch mal auf die Schnelle direkt am Schreibtisch. Den eigenen Anspruch darf man da nicht immer walten lassen, sonst kommt man nicht vom Fleck. Ein gesundes Abwägen zwischen dem eigenen Anspruch, dem des Teams und dem, was dabei erzielt werden soll, ist mein ständiger Begleiter im Alltag.“
Auch wenn sie selbst immer schon Mitarbeiter führen wollte, musste sich auch Dorothea Verschiedenes erst aneignen, zum Beispiel wie man Budgets richtig plant. Doch zum Glück gab es Vorbilder. „Ich hatte und habe tolle Vorgesetzte. Da konnte ich mir einiges abschauen. Wesentlich ist allerdings seine eigene Führungsart zu finden, authentisch zu sein. Zum Beispiel bin ich Fan von einem konstruktivem Miteinander. Dominante Führungsweisen ergeben nur frustrierte Mitarbeiter und innerliche Resignation. Zu sehen wie Mitarbeiter in der Zusammenarbeit, in ihren Aufgaben ihr Potenzial entfalten, selbst Verantwortung übernehmen und dabei Freude am Job haben – großartig.“
Heute steht Dorothea mit beiden Beinen fest im Berufsleben und verfügt über jahrelange Erfahrung, was sie auf manches auch selbstkritisch zurückblicken lässt: „Grundsätzlich kann ich jedem empfehlen, eine gewisse menschliche Reife zu erlangen, bevor man sich der Aufgabe ‚Führungskraft‘ stellt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich es zu schnell werden wollte. Im Nachgang habe ich gemerkt, dass es, gerade aufgrund der Anforderungen von allen Seiten, wichtig ist, genug Erfahrung gesammelt zu haben.“ Prinzipiell, so findet Dorothea, sollten sich aber mehr Frauen eine Führungsposition zutrauen.
Das klassische Arbeitszeitmodell mit 40 Stunden an fünf Tagen pro Woche und vor Ort im Unternehmen hat noch nicht ausgedient. Es gibt inzwischen aber eine Vielzahl neuer Modelle, die die klassischen Strukturen aufbrechen. Wir stellen drei davon vor.