Schöne neue Arbeitswelt
Flexible Arbeits-modelle
Lina Wasnick (li.) und Eva Strickling teilen sich eine Stelle. Foto: Vodafone
Das klassische Arbeitszeitmodell mit 40 Stunden an fünf Tagen pro Woche und vor Ort im Unternehmen hat noch nicht ausgedient. Es gibt inzwischen aber eine Vielzahl neuer Modelle, die die klassischen Strukturen aufbrechen. Wir stellen drei davon vor.
Jobsharing
Sich einen Job untereinander aufteilen? Funktioniert das? Und wie? Lina Wasnick und Eva Strickling haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Beide sind 37 Jahre alt und arbeiten bei Vodafone – und zwar im Jobsharing in einer Führungsposition als Abteilungsleiterinnen Sales in Service. Beide sind Mütter von je zwei Kindergartenkindern im Alter von drei und fünf Jahren.
Die Familie war auch der Grund für das Jobsharing. Nach der Elternzeit wollten beide gern wieder arbeiten – und das auch in der Führungsposition. „Gleichzeitig wollen wir aber auch für unsere jeweiligen Familien da sein und zeitlich flexibler sein“, sagt Wasnick. Bei Vodafone gibt es die Möglichkeit, Führungsrollen in Teilzeit mit 30 Stunden pro Woche auszuüben. „Trotzdem haben wir gemerkt, dass wir unserer beruflichen und auch privaten Verpflichtung nicht so gerecht werden können, wie es unser Anspruch ist.“ Im Unternehmen gab es bereits mehrere erfolgreiche Jobsharing-Tandems. „Das hat uns inspiriert, dieses Arbeitsmodell gemeinsam auszuprobieren.“
Erfolgreich im Doppelpack: Lina Wasnick (li.) und Eva Strickling. Foto: Vodafone
Das funktioniert nur mit sehr guter Kommunikation. „Nur so können wir trotz Teilzeit immer informiert sein und Entscheidungen treffen, die für beide passen“, sagt Strickling. Zwei Stunden pro Woche sind fest reserviert, um sich abzusprechen. Dafür sammeln die beiden online Themen auf einer gemeinsamen Liste. „Für das tägliche Update nutzen wir Chats und Sprachnachrichten, bei E-Mails steht immer die andere Person in CC.“ Entscheidend sei es, immer auf dem neuesten Stand zu sein. „Das Wichtigste und vielleicht auch Schwierigste ist, immer für die andere mitzudenken und auch in stressigen Situationen daran zu denken, sich gegenseitig mitzunehmen.“
Das Jobsharing ermögliche es nicht nur, Familie und Beruf zu vereinbaren. „Führung im Team macht auch richtig Spaß“, sagt Wasnick. „Man hat eine großartigen Mitspielerin, mit dem man sich herausfordern kann, Kreativität entfaltet sich und man kann voneinander lernen. Das Unternehmen profitiert von zwei Köpfen und doppelter Erfahrung.“ Zudem hat das Jobsharing für beide die Work-Life-Balance verbessert. „Wir haben beide unsere Arbeitszeit reduzieren können und können trotzdem unserem Anspruch an unsere berufliche Tätigkeit gerecht werden.“
Lina Wasnick und Eva Strickling können sich gut vorstellen, weiter im Jobsharing zu arbeiten. „Wir würden es allen empfehlen, die in Teilzeit in einer Rolle arbeiten möchten, die sich eher für Vollzeit eignet“, so Wasnick. Wer über das Modell nachdenkt, sollte allerdings darauf achten, einen passenden Gegenpart zu finden und die Werte und Arbeitsweisen abklären. Eva Strickling sagt: „Je weniger sich beide anpassen müssen, desto einfacher ist die tägliche Umsetzung.“
Workation
Eva Bungert verbindet Arbeit und Urlaub. Foto: Idealo
Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Eva Bungert hat sich diesen Traum schon vier Mal erfüllt. Sie ist Employer Branding Strategist bei Idealo und lebt eigentlich in Berlin, verbringt aber immer wieder längere Zeit in Südkorea. „Ich war zum ersten Mal 2019 mit Freunden dort und war schockverliebt“, erzählt sie.
Spontan entschied sich Bungert dazu, die Sprache zu lernen und überlegte, wie sie mehr Zeit in dem asiatischen Land verbringen könnte. „Ich habe an ein Sabbatical gedacht“, sagt die 34-Jährige. Dann ergab sich eine andere Gelegenheit: Die Berlinerin, die einen Bachelor in Germanistik und Anglistik/Amerikanistik hat, fing vor drei Jahren an, bei Idealo zu arbeiten. „Dort dürfen wir an 183 Tagen im Jahr im Ausland arbeiten.“
Damit Workation – ein Kofferwort aus Work (Arbeit) und Vacation (Urlaub) – funktioniert, braucht es klare Absprachen – und auch eine klare Haltung zu sich selbst und zur Arbeit. Ansonsten kann es schnell frustrierend werden, wenn etwa der Strand lockt, man selbst aber arbeiten muss. Oder wenn kaum Zeit bleibt, um ein Land und seine Sehenswürdigkeiten zu erkunden.
Eva Bungert hat für sich eine gute Lösung gefunden. Oft arbeitet sie synchron mit Deutschland, zu dem die Zeitverschiebung sieben Stunden beträgt. Das lässt ihr Zeit, um über Tag die Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Erst gegen Abend schaltet sie den Rechner ein, sitzt dann aber auch bis Mitternacht oder noch länger am Rechner. „Das macht mir aber nichts, weil ich mich sowieso abends am besten konzentrieren kann und eher ein Nachtmensch bin.“ Dadurch hat sie über Tag ausreichend Gelegenheit, um das Land näher kennenzulernen.
„Wenn es möglich ist, rate ich außerdem immer dazu, sich einen Tag pro Woche freizunehmen.“ In ihrem Unternehmen kann sie sich durch einen Gehaltsverzicht 15 zusätzliche Urlaubstage „erkaufen“. „Trotzdem braucht es natürlich eine gute Planung. Und ich habe gelernt, Grenzen zu setzen und mein Handy auszuschalten, wenn ich mir Freizeit nehme. Das trage ich dann auch in den Kalender ein.“
Nicht für jede Person und jeden Bereich ist eine Workation allerdings geeignet. „Ich rate schon dazu, sich selbstkritisch zu fragen, wie gut man sich selbst organisieren kann, wie groß die Zeitverschiebung ist und ob es möglich ist, asynchron zu arbeiten“, so Bungert. Lassen sich alle Aufgaben wirklich von anderen Orten aus erledigen? Wie sieht es mit sensiblen Daten aus? Gibt es sicheres und zuverlässiges Internet vor Ort?
Bei einer Workation braucht es Absprachen mit dem eigenen Unternehmen, in dem im besten Fall hybrides Arbeiten bereits etabliert ist. „Auch wenn ich in Berlin bin, bin ich eigentlich kaum im Büro“, sagt die Employer Branding-Expertin. „Ich kann mich zu Hause viel besser fokussieren.“ Das funktioniert – aber nur, weil die Kommunikation mit dem Team und den Kolleginnen und Kollegen sich bewährt hat. „Wir wissen immer, wie wir wechselseitig erreichbar sind, welche Unterlagen wo abgelegt sind und wie der Stand bei den jeweiligen Projekten ist.“ Dafür ist es dann auch fast egal, ob sie in Berlin von zu Hause aus arbeitet oder gerade in Südkorea sitzt. Für den Herbst plant Eva Bungert bereits ihre nächste Workation – in Südkorea, eventuell mit einem Abstecher nach Japan.
Vier-Tage-Woche
Carina Willms arbeitet „nur“ vier Tage pro Woche. Foto: Raiffeisen-Volksbank (RVB)
Vier Tage arbeiten, einen Tag pro Woche freihaben – das klingt erst einmal wunderbar. Ein Tag mehr pro Woche, um sich zu entspannen, Sport zu treiben oder den eigenen Interessen nachzugehen. Wie aber sieht das im Alltag aus? Lassen sich Aufgaben, die zuvor auf fünf Tage verteilt waren, auch an vier Tagen erledigen, oder bricht dann Stress aus? Denn auch wenn es ein Arbeitstag weniger ist – die Arbeit bleibt ja womöglich die gleiche.
Gute Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche hat Carina Willms aus Aurich gemacht, die bei der Raiffeisen-Volksbank (RVB) Aurich arbeitet. Die 24-Jährige hat einen Fachbachelor in Wirtschaftswissenschaften und hat ihren heutigen Arbeitgeber bei einem Praktikum während ihres Studiums kennengelernt. Seit Oktober 2023 arbeitet sie bei der RVB als Mitarbeiterin in der Öffentlichkeitsarbeit und im Personalmanagement. Ihre Vier-Tage-Woche ist so organisiert, dass sie an vier Tagen in der Woche insgesamt 35 Stunden arbeitet und dafür 37 Stunden bezahlt bekommt. „Die Teilnahme an dem Modell ist freiwillig“, sagt sie. In der Vier-Tage-Woche arbeitet sie seit Januar 2024.
„Am Anfang musste ich mich erst einmal an die längeren Arbeitstage gewöhnen, aber nach zwei bis drei Wochen war das kein Problem mehr für mich“, sagt Willms. An einem Tag in der Woche hat sie nun immer frei. Außerdem hat sie die Möglichkeit, an einem ihrer vier Arbeitstage im Homeoffice zu arbeiten.
Willms genießt den freien Tag unter der Woche. „Ich nutze diesen gern, um mehr Zeit mit Freunden und der Familie zu verbringen“, sagt sie. „Ich habe das Gefühl, dass ich durch den freien Tag viel erholter in die neue Arbeitswoche starte. Außerdem hat sich meine Work-Life-Balance durch die Vier-Tage-Woche verbessert.“
Was aber auch stimmt: Es bleibt weniger Zeit, um die Aufgaben zu erledigen, die sonst auf fünf Tage und mehr Arbeitsstunden verteilt waren. „Ich habe aber gelernt, meine Arbeitswoche sehr gut zu strukturieren und die Aufgaben zu planen. Dadurch arbeite ich viel effizienter.“
Auch ihr Umfeld sei begeistert von der Vier-Tage-Woche, sagt Carina Willms. „Dort hat im Moment niemand die Möglichkeit, dieses Modell zu nutzen. Ich merke aber, dass viele sich wünschen, auf diese Weise zu arbeiten.“ Sie selbst habe ausschließlich positive Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche gemacht. Ihr wichtigster Tipp: Die anstehenden Aufgaben in den Arbeitsalltag einplanen, soweit dies möglich ist, und den Arbeitsalltag beispielsweise mit To-do-Listen strukturieren, um den Überblick nicht zu verlieren.