Studieren unter Strom
Studieren unter Strom
Célestine Singer (23) studiert Maschinenbau an der TU München. Vor allem für die Elektromobilität und die Entwicklung leistungsstarker Batterien schlägt ihr Forscherherz. Dafür bekam sie letztes Jahr den DRIVE-E-Studienpreis verliehen.
Celestine, kannst du dich noch erinnern, wann dein Interesse für technische Dinge geweckt wurde?
Als Kind und auch später als junge Schülerin hatte ich noch keine klare Richtung, in die ich mich entwickeln wollte. Erst in der Oberstufe überlegte ich mir ernsthaft, wohin es mich nach der Schule treiben soll. Durch meinen Vater, der ebenfalls Maschinenbau studiert hatte, war ich teilweise beeinflusst. Wir diskutierten zuhause viel über die neuesten Entwicklungen in der Automobilbranche und er gab mir seine Zeitschriften und Bücher zum Lesen. Meine technische Begeisterung wurde mir eigentlich erst im Laufe der Jahre bewusst, eher durch kleine Aufgaben zu Hause und das besondere Interesse am Fach Physik.
Und dann hast du auch in diese Richtung studiert.
Ja, gegen Ende der Schulzeit besuchte ich mit Freunden, die ebenfalls technisch interessiert waren, verschiedene Universitäten und sah mir dort das Angebot an. Als Schülerin war es überwältigend, wie viele Möglichkeiten es gab. Also machte ich zunächst für zwei Wochen ein Praktikum an einem Institut für Aerodynamik. Danach war ich total begeistert von den technischen Anlagen und den Versuchen, die dort durchgeführt wurden. Als erstes wollte ich Luft- und Raumfahrt studieren, habe mich dann aber doch für Maschinenbau entschieden, um nach dem Studium noch mehr Auswahlmöglichkeiten zu haben.
Dennoch schlagen immer noch sehr viel weniger Frauen als Männer den Weg eines technischen Studiums ein. Was denkst du: Woran liegt das?
Meinem Gefühl nach hat die Zahl der Studentinnen in Fächern wie Maschinenbau in den letzten Jahren schon deutlich zugenommen. Trotzdem sind wir leider immer noch unterrepräsentiert. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Interessen bereits im Kindesalter durch die Wahl der Spielzeuge für Jungen und Mädchen geprägt werden. Jungspielzeug ist da oft technischer als das der Mädchen. Zudem herrscht bis heute noch das gesellschaftliche Bild vor, dass der MINT-Bereich kein typisches Berufsfeld für eine Frau ist.
Hast du mit solchen Klischees selbst Erfahrungen gemacht?
Ich habe mich weder in meinen Praktika noch in meinen Jobs von Anfang voll akzeptiert beziehungsweise gleichwertig gegenüber meinen männlichen Kollegen gefühlt. Die Überraschung, wenn ich erzähle, dass ich Maschinenbau studiere, und die Frage, warum gerade das Fach, sind zum Alltag geworden. Viele männliche Kollegen machen auch Witze darüber, dass ich nur aufgrund der Frauenquote einen Job oder ein Praktikum bekommen habe. Dadurch habe ich es oft noch schwerer mich zu beweisen. Ich habe allerdings mittlerweile gelernt damit umzugehen. Heute ist es für mich ein Ansporn, zu zeigen, dass ich mindestens genauso viel auf dem Kasten habe wie die männlichen Kollegen. Und genau das bekomme ich durch die extrem positive Rückmeldung meiner Vorgesetzten auch bestätigt. Das macht mich dann besonders stolz.
Ganz besonders interessierst du dich für Elektromobilität. Warum? Was fasziniert dich daran?
Etwa in der Mitte meines Studiums habe ich ein sechsmonatiges Praktikum bei einem großen Automobilhersteller absolviert. Dort habe ich im Bereich der Produktion von besonders leistungsstarken Motoren gearbeitet. Das hat Spaß gemacht und ich habe viel gelernt. Mir war aber auch klar, dass ich mich langfristig mit Themen beschäftigen will, die nachhaltig sind und einen Mehrwert für die Gesellschaft liefern. Zu dieser Zeit stand die Elektromobilität noch ziemlich am Anfang und ich wusste: Da möchte ich mitmachen! Elektrische Antriebe faszinieren mich besonders, weil das Verbesserungs- und Wachstumspotenzial noch enorm groß ist und die Veränderungen die ganze Branche zum Umdenken bewegen. Das könnte auch dazu führen, dass die starren Strukturen einiger Konzerne vielleicht wieder agiler werden. Für mich bedeutet Elektromobilität ein komplett neues Konzept des Autos.
Trotzdem hinkt Deutschland hier – im Vergleich zum Beispiel zu Skandinavien – noch hinterher. In welchem Bereich muss Deutschland noch besser werden?
Die größte Herausforderung wird meiner Meinung nach in den benannten Strukturen der großen Firmen wie Daimler, BMW und VW liegen. An den bisher wenigen Angeboten kann man erkennen, dass sich der Wille, die Autos zu elektrifizieren, sehr in Grenzen hält. Grund dafür sind vor allem die hohen Kosten, die durch die notwendige Umrüstung und Neuausrichtung von Produktionsstätten entstehen. Und auch intensive Forschung und Entwicklung wird benötigt. Zudem ist das Spezialgebiet der deutschen Automobilhersteller traditionell der Maschinenbau und die verbrennungsmotorischen Antriebe, während der Schwerpunkt bei den Autos der Zukunft eher auf Elektrotechnik und Informatik liegt. Hier sind andere Länder weiter vorn. Starker Nachholbedarf besteht auch in der Zellproduktion. Bisher wird diese Hauptkomponente der Elektrifizierung in Deutschland überhaupt nicht produziert. Und genau das sollte sich ändern, um zukünftig unabhängig von ausländischen Zulieferern zu sein.
2017 hast du an der DRIVE-E-Akademie teilgenommen und für deine Studienarbeit den DRIVE-E-Studienpreis bekommen. Worum ging es in der Arbeit?
Meine Arbeit handelt von der Herstellung einer neuen Generation von Lithium-Ionen-Batterien, der sogenannten Festkörperbatterie. Sie zeichnet sich durch einen feststoffbasierten Elektrolyten statt der herkömmlichen Elektrolytflüssigkeit aus. Hierdurch erreicht man höhere Sicherheit sowie potenziell höhere Energie- und Leistungsdichten, d. h. man könnte die Reichweiten der Elektroautos um ein Vielfaches erhöhen und die Batterien schneller wieder aufladen. Der Betreuer meiner Arbeit hat mir damals von der Akademie erzählt. Bis heute war die Teilnahme an der Akademie eines der besten Erlebnisse meines Studiums.
Erzähl uns mehr!
Ich habe in der Woche viele Studenten mit ganz unterschiedlichen Meinungen und Ansichten zur Elektromobilität getroffen. Wir hatten super spannende Gespräche. Dazu wurde uns ein extrem abwechslungsreiches Programm geboten, durch das wir Vertreter unterschiedlichster Firmen – von großen Herstellern bis hin zu kleinen Start-Ups – ganz persönlich treffen konnten und Einblicke in die neuesten Entwicklungen am Markt erhielten. Ein Highlight war die Teilnahme an dem International Electric Vehicle Symposium & Exhibition, wo wir Vorträge von großen Persönlichkeiten wie Daimler-Vorstandsmitglied Ola Källenius hören konnten. Jeder, der sich für die Elektromobilität interessiert, sollte sich bewerben, um ganz neue Einblicke in dieses Thema zu gewinnen. Und natürlich auch, weil es einfach sehr viel Spaß gemacht hat, Elektroautos in einem Parcours an ihre Grenzen zu bringen!
Was wünschst du dir für deine Zukunft?
Zuerst einmal möchte ich meine Masterarbeit erfolgreich hinter mich bringen. Mit dem Abschluss in der Tasche möchte ich anschließend gerne in die Forschung gehen, um an neuen Entwicklungen aktiv mitzuwirken und noch mehr Expertise aufzubauen. Und danach: Ab ins „Haifischbecken“ der Industrie!
DRIVE-E 2018 in München
Vom 9. bis zum 14. September 2018 ging DRIVE-E, das studentische Nachwuchsprogramm für Elektromobilität, in eine neue Runde. Bei Fachvorträgen von Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft, Testfahrten und Exkursionen zu Unternehmen bekamen 50 Studierende aus ganz Deutschland einen exklusiven Einblick in die Zukunft der Mobilität. Ein Highlight der Akademiewoche war die Verleihung der DRIVE-E-Studienpreise am 12. September im Verkehrszentrum München. Ausgezeichnet wurden dabei herausragende Projekt- und Abschlussarbeiten zur Elektromobilität mit Preisgeldern von bis zu 6.000 Euro. 2009 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Fraunhofer‐Gesellschaft gemeinsam gestartet, fand DRIVE-E in diesem Jahr bereits zum neunten Mal statt. Du möchtest nächstes Jahr auch dabei sein? Dann bewerbe dich für DRIVE-E 2019! Informationen zum Bewerbungsstart werden voraussichtlich Ende 2018 auf www.drive-e-org veröffentlicht.
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