Kolumne: Social-Media-Rollenbilder
Kolumne: Social-Media-Rollenbilder
Mit unseren Smartphones haben wir den Fortschritt in der Hand, möchte man meinen. Aber findet der auch im Kopf statt? Oder macht uns die zunehmende Digitalisierung unseres Lebens doch so sehr Angst, dass wir uns in ein biedermeierisches Social Media-Idyll flüchten?
Vor Kurzem hat „Plan International“ eine interessante Studie veröffentlich. Die Organisation befragte darin junge Leute zwischen 14 und 32 Jahren zu ihrem Social Media-Nutzungsverhalten sowie zu ihrer Einstellung gegenüber Gleichberechtigung und Geschlechterrollen. Das Ergebnis in a nutshell: Eine intensive und häufige Nutzung von Instagram, YouTube & Co. geht einher mit stereotypen Vorstellungen über Männer und Frauen. Wir haben also Tausende von Welten in der Hand – und drücken dann doch bei den immer selben Lebensentwürfen auf „Gefällt mir“.
So findet es beispielsweise ein Drittel der Mädchen und Frauen, die täglich in sozialen Medien unterwegs sind, nicht besonders schlimm, wenn Frauen für dieselbe Arbeit weniger Geld verdienen als Männer (bei den Nicht-täglich-Nutzerinnen sind es nur 17 Prozent). Ein Drittel, mit dem ich mich gerne mal über weibliche Lohnarbeit in kapitalistischen, patriarchal geprägten Gesellschaften unterhalten würde.
Übrigens dürften einige der Studienergebnisse vor allem Barbara Schöneberger sehr freuen, die erst kürzlich auf Instagram die Männer anflehte, sich nicht zu schminken („Auch nicht die Augenschatten abdecken, das ist auch schon schminken!“): Bei den Mädchen und Frauen liegt das Thema Kosmetik in den sozialen Medien mit 41 Prozent auf dem dritten Platz, während sich nur drei Prozent der männlichen Befragten dafür interessieren. Ergo: Auch geschlechtsspezifische Schönheitsideale sind bei denjenigen, die täglich auf soziale Medien zurückgreifen, tiefer verankert. Als Frau also bitte hübsch geschminkt, als Mann aber bitte Augenringe präsentieren. Und Gnade dir Gott, wenn du deine Wangenknochen hervorheben willst.
Aber sind es wirklich die sozialen Medien, die konservative Werte und Rollenbilder bei uns verstärken? Oder sind wir es selbst, die aktiv nach solchen Inhalte suchen? Sind wir tief in unseren Millenialherzen eigentlich traditionelle Babyboomer, die es im Gegensatz zu unseren Eltern nur geschafft haben, den Umgang mit Smartphones zu meistern, ohne dabei die Sprache des Handys auf Mandarin umzustellen?
Ich jedenfalls werde zukünftig genauer darauf achten, wem ich folge, was ich so like, welche Inhalte ich konsumiere. Doch statt dabei nur stur all das auszusortieren, was Klischeehaftes zeigt, versuche ich meine digitale Blase zum Platzen zu bringen, indem ich meine eigenen Blind Spots finde: Welche Realitäten und Lebensentwürfe sehe ich nie in meinem Smartphone-Display, weil ich oder die machtvollen Algorithmen mich damit gar nicht konfrontieren? Folge ich jemandem über 60? Unter 20? Sind alle meine Lieblings-YouTuber jung, attraktiv, weiß, able-bodied, hetero?
Denn auch wenn traditionelle Lebensentwürfe nicht zwingend negativ besetzt sein müssen, so will ich trotzdem mehr für mich als ein Leben, in dem mir bestimmte Dinge verschlossen bleiben. Sorry, Barbara: Betonte Wangenknochen stehen einfach jedem. Entscheidungsfreiheit auch.
Künstliche Intelligenz (KI) wird unser Leben und die Arbeitswelt verändern. Doch was kommt da
eigentlich auf uns zu? Prof. Dr. Christian Stummeyer – unter anderem Inhaber der Professur
„Wirtschaftsinformatik und Digital Commerce“ an der TH Ingolstadt und wissenschaftlicher Leiter von AININ, dem bayerischen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz – hat
Antworten.