Berufswahl: Soll ich das Gleiche tun wie Mama und Papa?

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Die Frage nach den Fußstapfen

Foto: unsplash/Zack Minor

Berufswahl: Soll ich das Gleiche tun wie Mama und Papa?

Ob bewusst oder unbewusst: Der Beruf der Eltern spielt bei den eigenen Laufbahnentscheidungen eine große Rolle. Wieso er doch manchmal die richtige Wahl sein kann und wie Eltern ihre Kinder ohne Druck unterstützen können.

Als Metapher für den Beruf der Eltern bei der eigenen Studien- oder Ausbildungswahl passt ein Magnet. Beide können entweder stark anziehende oder stark abweisende Kräfte entfalten. Wähle ich das, was meine Eltern gemacht haben? Oder entscheide ich mich dagegen?

„Heute sind die Einflüsse und Erwartungen aus dem Elternhaus häufig höher als früher“, sagt Annette Gröger, Psychologin und Laufbahnberaterin. Sie selbst ist „Betroffene“, wie sie es nennt, ihr Vater war auch Psychologe, aber zu diesem Beruf fand sie erst nach vielen Umwegen. Am Anfang, sagt sie, konnte sie sich das Interesse daran nicht eingestehen, ohne sich fremdgesteuert oder definiert zu fühlen. Ein Gefühl, dem sie heute auch bei ihrem Coaching begegnet. „Bei jungen Menschen herrscht oft der Wunsch, sich von den Eltern abzugrenzen“, sagt Gröger. Den gleichen Beruf zu erlernen, scheint dann als Super-GAU der Selbstbestimmung.

Der Beruf der Eltern prägt

Auch Antje Peters entschied sich nach dem Abitur für etwas anderes als das, was ihre Eltern gemacht hatten. „Mein Vater ist Kinderarzt, aber für mich war damals ganz klar, dass ich Physik studieren wollte“, erzählt die heute 28-Jährige. Unglücklich war sie mit der Wahl nie, aber nach dem abgeschlossenen Studium wagte sie trotzdem noch einmal einen Neuanfang und schrieb sich für Medizin ein. „Ich habe das damals gar nicht in Erwägung gezogen“, erinnert sie sich an die Zeit nach dem Abitur. „Der Beruf meines Vaters war so selbstverständlich, dass das für mich gar nicht in Frage kam“. Annette Gröger erzählt, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass Studierende den Beruf ihrer Eltern erst später genauer betrachten.

Erst Physik und jetzt doch Medizin: Antje Peters tritt in die Fußstapfen ihres Vaters und wird Ärztin.

Erst Physik und jetzt doch Medizin: Antje Peters tritt in die Fußstapfen ihres Vaters und wird Ärztin.

Dabei liege es durchaus nahe, dass der Werdegang der Eltern, oder zumindest einzelne Aspekte davon, auch für die Kinder eine sinnvolle Option sein können. „Neben den individuellen Begabungen sind auch die Wurzeln wichtig“, so Gröger. Heißt also, dass die Werte und Themen bestimmter Berufe häufig schon im Elternhaus eine große Rolle spielen und somit auch den Kindern eine Prägung vermitteln.

Das zu akzeptieren gelinge vielen aber erst nach einer Findungsphase. Annette Gröger rät aber: „Wenn es finanziell drin ist, sollte man ruhig alles ausprobieren und schauen, wie sich das anfühlt“. Sie spricht bewusst von „fühlen“ statt „wissen“. Denn nur, wenn sich der Beruf im Wesentlichen gut anfühle und Attraktivität ausstrahle, könne sich eine sogenannte „ziehende Motivation“ entwickeln. Also eine, bei der die Kraft von einem selbst kommt, anstatt, dass man von außen geschoben werde.

Junge, das ist doch brotlose Kunst…

Für Lucas Schraft war klar, dass die Berufe seiner Eltern nicht infrage kommen würden. „Ich komme aus einer sehr technischen Familie“, erzählt der 27-Jährige „aber mir liegen kreative Aufgaben“. Auch seine Eltern sahen das so, legten aber Wert darauf, dass Lucas etwas lernte, dass mehr sei als die sprichwörtliche „brotlose Kunst“. „Ich hätte durchaus Musik studieren wollen“, sagt Lucas – das sahen seine Eltern aber kritisch. Der Kompromiss zwischen kreativ und lukrativ war dann das Marketing. Heute absolviert er einen Master und arbeitet bei einer Werbeagentur. Sein musikalisches Talent lebt er nebenbei als „DJ Scrafty“ aus.

Karriere im Marketing oder als DJ? Diese Entscheidung steht für Lucas Schraft aka DJ Scrafty noch aus.

Karriere im Marketing oder als DJ? Diese Entscheidung steht für Lucas Schraft aka DJ Scrafty noch aus.

Annette Gröger spricht bei der Berufswahl auch von unterschiedlichen Persönlichkeitstypen mit unterschiedlichen Wertehierarchien. „Wenn ich Idealist bin, sollte ich eher meinen Leidenschaften folgen“, sagt sie. „Wenn ich Wert auf Planbarkeit lege, sollte ich hingegen eher einen sicheren Beruf wählen.“ Natürlich könne eine Leidenschaft auch als Hobby ausgelebt werden, Beruf müsse nicht immer Berufung sein. Für Lucas steht die Entscheidung im nächsten Jahr an: „Nach dem Master muss ich entscheiden, ob ich Vollzeit arbeite und das DJ-Leben aufgebe, oder ob ich versuche, erfolgreich genug zu sein, um damit mein Geld zu verdienen“. Eine Entscheidung also zwischen Idealismus und Planbarkeit. „Meine Eltern betrachten meine Erfolge als DJ sehr kritisch“, erzählt Lucas. Für sie steht die Entscheidung also schon fest, jetzt muss Lucas selbst wählen, welchen Weg er geht.

Die Entscheidung muss bei einem selbst liegen

Die Einflussnahme der Eltern ist auch davon abhängig, ob sie selbst ihre Berufswahl als erfüllend empfinden. Ob offen oder insgeheim, viele Eltern hoffen natürlich, dass ihre Sprösslinge den gleichen Beruf erlernen und darin erfolgreich sind. Das kann großen Druck erzeugen. „Sie versuchen ihre Kinder mit einer scheinbar objektiven Bewertung von der richtigen Berufswahl zu überzeugen“, so Gröger. Dabei projizierten sie häufig ihre eigenen Wünsche auf die Kinder. „Viele Studierende sagen Sachen wie ‚Ich kann machen was ich will, aber in den Augen meines Vaters zähle ich nur, wenn ich den gleichen Beruf erlerne.‘“

Am besten sei es, sagt Psychologin Gröger, wenn die Eltern „aufrichtig loslassen“ würden. Also ihren Kindern ehrlich die Entscheidung überließen. Aber wie kann Unterstützung ohne Druck gelingen? „Am besten, indem Eltern vom ersten Tag an ihren Kindern aufrichtig spiegeln, worin sie gut sind. Kinder spüren das und entwickeln ein gesundes Bewusstsein für ihre Stärken und Schwächen.“ So seien sie im entscheidenden Moment gut ausgerüstet, um sich unabhängig von der großen Fliehkraft des elterlichen Berufs für den richtigen Werdegang zu entscheiden. Antje Peters hatte indes nie den Eindruck, dass ihr Vater Druck auf sie ausüben wollte. „Er hat meine Entscheidungen immer unterstützt“, sagt sie. „Aber als ich ihm gesagt habe, dass ich Medizin machen will, hat er sich schon sehr gefreut.“