Karriere im Consulting und in der Wirtschaftsprüfung
Karriere im Consulting und in der Wirtschaftsprüfung
Nach dem BWL-Studium in die Unternehmensberatung? Der klassische Weg, aber längst nicht der einzige. Eine Leistungssportlerin, ein Physiker und eine Politikwissenschaftlerin erzählen von ihrem Berufseinstieg im Consulting und in der Wirtschaftsprüfung.
Rom, Paris, Barcelona, London, Warschau, Detroit, diverse deutsche Großstädte: Felicitas Pietrullas Job ist nichts für Reisemuffel. Als Unternehmensberaterin führen sie ihre Projekte alle zwei bis fünf Monate an einen anderen Ort. Seit zwei Jahren arbeitet die Politikwissenschaftlerin bei der Unternehmensberatung McKinsey in Köln. Mit ihrem Studium ist sie dort zwar keine Exotin, dennoch hat der Großteil ihrer Kollegen einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund – und damit einen Vorteil? „Natürlich haben die meisten BWLer ein ausgeprägteres Verständnis dafür, wie sie mit finanziellen Kennzahlen umgehen. Als Geisteswissenschaftler besteht unser Mehrwert darin, dass wir es gewohnt sind, uns breit aufzustellen, uns neue Themengebiete zu erschließen und neues Wissen anzueignen“, sagt die 27-Jährige. „Häufig haben wir ein größeres Portfolio in Sachen Soft Skills.“
BWL-Skills per Mini-Master
Den betriebswirtschaftlichen Teil ihrer Arbeit hat sie mit Hilfe einer Art Mini-Version eines Master of Business Administration (MBA) in Finance & Marketing nachgeholt. Ein Schulungsprogramm, das bei McKinsey jeder Geisteswissenschaftler beim Jobeinstieg durchläuft. Tatsächlich sei es noch nie vorgekommen, dass sie jemand gefragt habe, was sie studiert hat. „Gerade als Geisteswissenschaftlerin ist es aber wichtig, mit offenem Charakter und einer gewissen Abenteuerlust in den Job starten, damit man auch wirklich alles mitnehmen kann, was er zu bieten hat“, findet Pietrulla. „Zum Beispiel die Möglichkeit, in internationalen Projekten zu arbeiten, große Themen unserer Zeit wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung voranzutreiben und ständig neue Situationen zu erleben, in denen man sich weiterentwickeln kann.“
Ursprünglich interessierte sich Pietrulla für einen Job bei einer Organisation wie der UNO oder der Weltbank. Während eines Praktikums beim Auswärtigen Amt stellte sie fest, dass die Arbeit zwar inhaltlich spannend, der öffentliche Dienst ihr aber nicht dynamisch genug ist und Entscheidungen zu lange dauern. Über ein Stipendiatenprogramm während des Studiums kam sie zu ihrem jetzigen Arbeitgeber, wo sie nun als „Fellow Associate“ für Klienten aus verschiedenen Branchen zuständig ist. Montagmorgens setzt sie sich in den Zug oder fährt zum Flughafen, um zu ihrem Klienten zu gelangen, wo sie dann mit einem Team vier Tage vor Ort arbeitet. Der Freitag ist für die Abstimmung von Dokumenten und den Austausch mit den Kollegen oder ihrem Mentor im McKinsey-Büro reserviert. „Manche Projekte sind sehr strategisch, dann berate ich zum Beispiel die Länderchefs einer internationalen Organisation dazu, wie sie ihren Umsatz steigern können. Andere Projekte sind eher operativ: Wenn ich zum Beispiel bei einem Automobilhersteller eine Prozessbeobachtung vor Ort durchführe, gehört dazu auch, dass ich mit den Mitarbeitern durchs Lager laufe und überlege, welche digitalen Werkzeuge hilfreich wären, um die Arbeitsabläufe dort zu optimieren.“
Labor und Laptop – Erfahrungen aus beiden Welten
Auch Naturwissenschaftler wie Falko Brinkmann sind im Consulting gefragt. Der promovierte Physiker, der im Bereich Life Science bei der Unternehmensberatung Accenture in Hamburg arbeitet, erklärt das so: „Aus meiner Erfahrung versuchen Naturwissenschaftler ein Thema wirklich komplett und bis ins kleinste Detail zu durchdringen. Als Naturwissenschaftler schockt einen häufig nichts, man nimmt sich die Zeit und befasst sich mit der Thematik, bis man auch den letzten Punkt verstanden und eine Lösung gefunden hat“, so der 35-Jährige, der im Nebenfach Wirtschaftschemie studiert hat. „Viele BWLer, die ich kenne, gehen Themen anders an: wollen alles sofort verstehen, schneller in die Umsetzung gehen und nicht jedes Detail muss ausgeleuchtet werden. Beide Herangehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile.“
Nachdem Brinkmann 2018 zwei Startups gründete – einen Service für Online-Krankschreibungen über WhatsApp und ein Diagnostikunternehmen als Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) – wurde Accenture auf ihn aufmerksam. Weil er als Doktorand durch seine praktische Erfahrung im Labor sowohl Expertise im Bereich Life Science als auch durch frühere Stationen bei KPMG und ein Projektmanagement-Studium Erfahrung in der Beratung mitbrachte, war er die ideale Besetzung für die Stelle als Management Consultant in der Pharmasparte des Unternehmens. Dort beschäftigt er sich unter anderem mit der Entwicklung von digitalen Patientenservices.
80 Prozent Wirtschaftswissenschaftler, 20 Prozent Sonstige
„Am meisten Spaß macht mir, dass ich meine persönlichen Interessen und all die wichtigen Erfahrungen aus meinem Studium und den Stationen danach kombinieren kann.“ Praktika und Werkstudentenjobs während des Studiums hält er für den Schlüssel, der auch Physikern die Tür in die Consulting-Welt öffnet: „BWLer machen während ihres Studiums häufig diverse praktische Erfahrungen, Naturwissenschaftler eher selten, was sich bei Bewerbungen zum Nachteil auswirkt.“
Seine Aufgaben entsprechen dem „typischen Consulting-Alltag“, so Brinkmann: „Viele Projekte direkt beim Kunden vor Ort, interdisziplinäre und – je nach Projekt – auch internationale Teams, die virtuell zusammenarbeiten und viel unterschiedliche Expertise, die auf einem Projekt zusammenkommt. Dabei ist der Laptop dein bester Freund, ohne den läuft es nicht.“ 80 Prozent seiner Kollegen sind Wirtschaftswissenschaftler, schätzt Brinkmann, 20 Prozent haben andere Hintergründe und kommen etwa aus den Naturwissenschaften, der Medizin oder Philosophie. „BWLer haben schon eine andere Denke. Aber das ist gut. Wir fordern uns gegenseitig heraus und so denken wir nie rein in unseren Komfortzonen, was im Projekt manchmal herausfordernd, aber sicherlich für das Ergebnis förderlich ist.“
Herausforderung für Körper und Kopf
Leistungssport statt Bürojob: Nach ihrem Studium in Rechnungswesen an der Universität Johannesburg entschied sich Leichtathletin Irmgard Bensusan gegen einen unmittelbaren Jobeinstieg in der Wirtschaft und fasste den Entschluss, sich voll und ganz auf den Sport zu konzentrieren, den sie seit ihrem 15. Lebensjahr ausübt. „Ich hatte allerdings von vorneherein das Ziel, mich nach ein paar Jahren für einen Job in der Finanzwelt zu bewerben. Das Alter setzt dem Leistungssport irgendwann eine Grenze, außerdem verdient man im paralympischen Sport wenig Geld“, berichtet die 28-jährige Sprinterin. Nach drei Jahren hauptberuflich im Leistungssport begann die gebürtige Südafrikanerin im Bereich Wirtschaftsprüfung bei KPMG am Standort Düsseldorf. „Der Sport ist meine Leidenschaft, aber ich hatte das dringende Bedürfnis, nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Kopf wieder mehr herauszufordern.“ Über eine Sportstiftung wurde ihr ein Bewerbungsgespräch bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft vermittelt.
Als Associate prüft sie heute Konzern- und Jahresabschlüsse von großen Unternehmen. „Ich lerne viele verschiedene Unternehmen kennen, dadurch ist jedes Projekt anders als das vorherige. Mal bin ich in der Chemiebranche unterwegs, dann in der Kosmetikindustrie – langweilig wird es nie.“ Neben Neugier und Interesse für Zahlen und wirtschaftliche Zusammenhänge, sei es für ihren Job essenziell, Dinge zu hinterfragen. „Es gehört zu meinen Aufgaben, herauszufinden, ob die Bilanzen auch tatsächlich der Darstellung eines Unternehmens entsprechen. Sonst droht ein wirtschaftlicher Schaden.“
Gute Work-Sports-Balance
Aufgeben musste sie den Sport für ihren Job nicht. KPMG bietet für Leistungssportler flexible Arbeitszeitmodelle an. 20 Stunden pro Woche arbeitet Bensusan bei KPMG, in der restlichen Zeit trainiert sie; aktuell zum Beispiel für eine Weltmeisterschaft im November in Dubai. Alle ihre Mandanten befinden sich im Umkreis von Düsseldorf, auch ein mehrtägiger Wettkampf ist mit ihrer Arbeit vereinbar. Der Wechsel von der Laufbahn an den Schreibtisch fällt ihr nicht schwer. „Im Gegenteil, es ist der perfekte Ausgleich. Und ich glaube, dass ich vieles aus dem Sport auf meine Arbeit übertragen kann: Sich immer wieder motivieren, im Team zusammenarbeiten – das ist zentral im Sport. Klappt etwas nicht gleich auf Anhieb, muss man damit umgehen können und sich noch mehr anstrengen. Manchmal verletzt man sich. Dann heißt es aufstehen und weitermachen.“ In Bensusans Fall hieß das sogar: Wieder laufen lernen. Mit 18 stürzte sie beim Training über eine Hürde und verletzte sich schwer am rechten Unterschenkel. Die Folge: 18 Monate Reha und Physiotherapie. Seitdem trägt sie eine Beinorthese. „Einen Tag nach dem Unfall habe ich meinen Trainer angerufen und ihm gesagt, dass ich weiterlaufen will.“ Das tat sie. 2014 kam die Leichtathletin von Südafrika nach Deutschland zum TSV Bayer 04 Leverkusen mit dem Ziel, an den Paralympics 2016 in Rio teilzunehmen, wo sie einen ihrer größten sportlichen Erfolge feierte und drei Silbermedaillen holte. Ein Jahr später wurde sie in London Weltmeisterin im 400-Meter-Lauf. Ihr nächstes großes Ziel: die Paralympics 2020 in Tokio. Und die Prüfung zur Steuerberaterin.
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