Karriere im Ingenieurwesen
Karriere im Ingenieurwesen
Auf junge Ingenieure warten aktuell rund 126.000 freie Stellen. Drei Berufseinsteiger berichten von ihrem Karrierestart und warum ihr Job nie langweilig wird.
Ohne Espresso oder Latte Macchiato in den Unitag zu starten, können sich wohl nur die wenigsten vorstellen. Der Gang zum Coffee Shop gehört für viele einfach zur Morgenroutine – vor allem nach einer durchlernten (oder durchfeierten) Nacht. Dass Deutschlands Studierende ihren täglichen Koffeinkick bekommen, dafür ist auch Anika Hammermann verantwortlich. Die junge Ingenieurin arbeitet bei Melitta Professional Coffee Solutions im Bereich Konstruktion und ist Expertin für die Entwicklung von Kaffeemaschinen und -vollautomaten.
Die Technik hinter dem perfekten Milchschaum
Studiert hat Anika Maschinenbau an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Gleich danach ist die heute 33-Jährige bei Melitta eingestiegen. Zum einen, weil sie auch privat gerne Kaffee trinkt, zum anderen, weil sie mehr darüber erfahren wollte, was hinter einer guten Tasse Kaffee steckt. Wie funktioniert das mit dem Mahlgrad der Bohnen? Wie entsteht lecker gebrühter Kaffee? Und was braucht es für perfekten Milchschaum? „Kaffeemaschinen und -vollautomaten bieten sehr viele unterschiedliche Themenfelder: von der Konstruktion von Gehäuseteilen bis hin zur Entwicklung von Funktionsbaugruppen wie Milchsysteme oder Brüheinheiten mit den dazugehörigen Prozessen in der Maschine. Das macht die Arbeit unheimlich abwechslungsreich“, sagt die Ingenieurin.
Einen typischen Arbeitstag gibt es demnach nicht. „An manchen Tagen sitze ich im Büro und konstruiere am Computer. An anderen verbringe ich die meiste Zeit in unserem Musterbau, um Prototypen zusammenzubauen oder Versuche durchzuführen.“ Dabei dauert es in der Regel Monate, bis eine neue Maschine serienreif ist. „Erst letzte Woche habe ich ein System getestet, an dem ich schon eine ganze Weile entwickelt habe. Nach diversen Anpassungen hatte ich dann endlich die neuen Bauteile in der Hand und beim Test hat alles reibungslos funktioniert. Ein echtes Erfolgserlebnis“, erzählt Anika.
Ein besonderes Herzensprojekt war für sie auch die Entwicklung und Serieneinführung des Kaffeevollautomaten XT4 vor ein paar Jahren. Es war das erste größere Projekt, an dem Anika von Anfang bis Ende mitgearbeitet hat. Der krönende Abschluss war die Präsentation der Maschine auf einer Messe. Und natürlich die zufriedenen Gesichter der Menschen bei der Verkostung der ersten Tassen Kaffee.
Der Baustellen-Manager
An den Kauf von Kaffeemaschinen für die Belegschaft ist in dem sechsstöckigen Bürogebäude in der Stuttgarter Innenstadt indes noch nicht zu denken. Noch ragt es hinter Bauzäunen in den Himmel und sieht nur von außen fast fertig aus. In den Innenräumen sind die Wände hingegen noch aus rohem Beton. Es fehlen die Zwischenwände, Bodenbeläge, Teeküchen und Toiletten. Die Gewerke zu koordinieren, damit zum Einzug der Mieter alles fertig ist, dafür ist Marius Schaffhauser zuständig. Seit April 2018 ist er Nachwuchsingenieur beim Bauunternehmen ZÜBLIN und absolviert auf der Baustelle eine seiner ersten beruflichen Stationen.
Weil ihn Großbaustellen schon als Schüler faszinierten und er in Mathematik und Physik gute Noten hatte, stand sein Berufswunsch schon früh fest und Marius entschied sich nach dem Abitur für ein Bauingenieursstudium. Durch die ersten vier Semester mit Fächern wie Höhere Mathematik und Technische Mechanik kämpfte er sich erfolgreich durch. Dann wurde das Studium praktischer und er konnte sich inhaltlich spezialisieren. Dass Bauingenieure händeringend gesucht werden, bekam Marius bereits in der Uni zu spüren. Vor Ort warben Unternehmen um junge Talente. Er entschied sich für ZÜBLIN, arbeitete dort schon als Werkstudent und schrieb auch seine Masterarbeit am Stammsitz des Unternehmens in Stuttgart.
Arbeiten im Ausland nicht ausgeschlossen
Eine gute Vorbereitung auf seine Arbeit als Jungingenieur, denn Marius kannte bereits die Baustelle, die Abläufe und viele Kollegen. Zudem durchläuft der 28-Jährige ein Nachwuchsingenieurprogramm, das im Gegensatz zum Direkteinstieg mehr Abwechslung und Orientierungsmöglichkeiten für all jene bietet, die wie er noch nicht hundertprozentig wissen, in welcher Abteilung sie später einmal arbeiten möchten.
„Während des zweijährigen Programms bin ich zweimal für sechs Monate auf einer Baustelle und wechsele ansonsten im Innendienst alle drei Monate die Abteilung“, so Marius. „Wenn man weiß, dass man mittelfristig bei ZÜBLIN bleiben will, ist es super, in allen Bereichen mal mitzuarbeiten. Mit der Zeit baut man sich ein großes Netzwerk im Unternehmen auf.“
Für seine berufliche Zukunft hat Marius ein klares Ziel: Noch mehr Verantwortung übernehmen und in der Bauleitung arbeiten. Und vielleicht mal ins Ausland gehen. Solche Entwicklungschancen stehen bei einem international aufgestellten Großunternehmen wie ZÜBLIN natürlich mehr als gut.
Karriere beim Hidden Champion
Gut 130 Kilometer nordöstlich von Stuttgart, in der kleinen Gemeinde Mulfingen, arbeitet Nadine Bruder. Was ein wenig nach Provinz klingt, ist wirtschaftlich jedoch alles andere als provinziell. Denn Nadines Arbeitgeber ist ebm-papst, ein Familienunternehmen mit mehr als 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit 28 internationalen Produktionsstätten und 48 Vertriebsstandorten. Spezialisiert hat sich das Unternehmen auf die Herstellung von Ventilatoren und Motoren, die unter anderem in den Bereichen Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik, Automotive und Antriebstechnik zum Einsatz kommen. Und das so erfolgreich, das die Baden-Württemberger in ihrer Sparte Weltmarktführer sind. Ein typischer Hidden Champion – eher unbekannt, aber mit Milliardenumsätzen.
Nadine ist im Bereich Forschung und Entwicklung tätig und dort verantwortlich für Prozesse und Effizienz. Die 22-Jährge erstellt zum Beispiel interne Anweisungen für die Entwicklung neuer Produkte. Zu ihrem Arbeitsalltag gehören viele Besprechungen und Besuche in den unterschiedlichen Abteilungen. Eine kommunikative Tätigkeit, die sowohl zwischenmenschliches Fingerspitzengefühl als auch technisches Verständnis erfordert.
Nach Bachelorabschluss gleich Arbeitsvertrag
Letzteres hat sich Nadine bereits früh angeeignet: Sie besuchte ein technisches Gymnasium mit dem Schwerpunkt Mechatronik, danach absolvierte sie an der DHBW Mosbach den dualen Studiengang Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Konstruktion und Entwicklung. In den Praxisphasen arbeitete Nadine bei ebm-papst. „Die Verbindung aus Theorie und Praxis war für mich ideal, denn ich habe viel über die Produktentstehung gelernt – von der Produktfindung und -entwicklung bis hin zur Inbetriebnahme und zum Qualitätsmanagement.“
Seit gut drei Monaten ist Nadine nun Vollzeit im Unternehmen. Denn auf die Abgabe der Bachelorarbeit folgte gleich der Arbeitsvertrag. Was es für ihren Job braucht? Innovatives Denken, Teamfähigkeit, Kreativität und die Bereitschaft, seine Ideen mit anderen zu teilen. Was sie sich wünscht? Vielleicht ein paar mehr Frauen, die ihr technisches Interesse im Ingenieursberuf einsetzen. Für Nadine war es jedenfalls die goldrichtige Entscheidung. Um noch mehr zu lernen, könnte sie sich vorstellen, irgendwann berufsbegleitend auch einen Master zu machen.
Das klassische Arbeitszeitmodell mit 40 Stunden an fünf Tagen pro Woche und vor Ort im Unternehmen hat noch nicht ausgedient. Es gibt inzwischen aber eine Vielzahl neuer Modelle, die die klassischen Strukturen aufbrechen. Wir stellen drei davon vor.