Studieren mit Kind

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Mama muss lernen

Foto: walkingontiptoes

Studieren mit Kind

Rund sechs Prozent aller Studierenden in Deutschland haben bereits mindestens ein Kind. Wie bekommt man Windeln wechseln und Unikram unter einen Hut? Wir haben zwei von ihnen auf Instagram gefunden und gefragt.

Maryam: Zwischen OP-Saal und Kinderzimmer

Entweder Feuerwehrfrau oder Fee. Oder eben Ärztin. Wie viele Kinder wollte Maryam als Erwachsene gern im wehenden weißen Kittel Spritzen verteilen und Lungen abhören. Sie wurde dann aber doch erst einmal Führungskraft in einem schwedischen Modeunternehmen, bis sie dann den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. „Nach der Geburt war der Wunsch nach dem Medizinstudium das einzige, woran ich denken konnte“, erzählt die 30-Jährige. „Es nicht gewagt zu haben, wollte ich nicht irgendwann bereuen müssen.“ Mit 16 Wartesemestern ging es dann an das Universitätsklinikum Eppendorf, wo sie aktuell im 3. Semester Humanmedizin studiert.

Maryam wuppt Medizinstudium und Muttersein. Foto: a.medstudentslife

Maryam wuppt Medizinstudium und Muttersein. Foto: a.medstudentslife

Wir haben alle schon die Horrorstorys über das Medizinstudium gehört. Dieses Auswendiglernen von 206 Knochen, die vielen lateinischen Begriffe und dann noch diese ganzen Organe, Gefäße und Knorpel! Um ihr immenses Lernpensum zu erfüllen, plant Maryam ihren Alltag strikt durch. Morgens bringt sie ihre Tochter zur Kita, danach geht es oft direkt in die Bibliothek, wo sie jede freie Minute fürs Lernen nutzt. Ihr Mann holt die Kleine wieder ab, während Maryam meist bis 17 oder 18 Uhr in Praktika oder Seminaren sitzt. Wenn Mayram ihr Kind ins Bett gebracht hat, geht alles auf rewind, sie wird wieder zur Studentin und lernt oft bis in die Nacht hinein. „Kaffee ist mein ständiger Begleiter im Kampf gegen die Müdigkeit“, sagt sie, „ich würde mich gern direkt nach der Uni an den Schreibtisch setzen, weil der Druck ziemlich hoch ist und man in kürzester Zeit viel lernen muss“. Geht aber nicht. Alarmstufe Rot herrscht, wenn das Kind krank wird. „Wir müssen 85 Prozent Anwesenheit erfüllen, um zu den Prüfungen zugelassen zu werden“. Im letzten Semester war Maryam mit ihrem Kind krank, ein Modul konnte sie nicht abschließen. Da braucht es eine Portion Gelassenheit. „Früher hat es mich gestresst, wenn mein Kind mitten in der Nacht aufgewacht ist und ich dadurch nicht lernen konnte. Heute akzeptiere ich das und lege mich dann mit ihr ins Bett“.

Mit diesen täglichen Herausforderungen steht sie nicht allein da. „Wir sind eine Studi-Gruppe aus vier Frauen, drei von uns haben Kinder und wir motivieren uns gegenseitig, wenn es mal wieder stressig wird.“ Und dann gibt es auch noch Maryams Instagram-Follower. Auf ihrem Profil a.medstudentslife gibt die angehende Medizinerin Einblicke in ihren Histologie-Unterricht und erzählt, warum sie beim Anblick eines OP-Saals Puls bekommt. Wie viele andere Medizinstudierende auch. „Ob Hausfrau, Freundin oder Ehefrau, vielleicht auch Alleinerziehende: Wir sitzen alle in einem Boot. Ich studiere in Vollzeit, andere Mütter gehen in Vollzeit oder Teilzeit arbeiten. Wir sind alle Multitalente“

Janina: Lebensveränderung³

Da rafft man sich auf und trifft die folgenschwere Entscheidung, das Studium abzubrechen und nochmal die Studienrichtung zu wechseln, und dann so was: „Kurz vorm Einschreiben hielten wir den positiven Schwangerschaftstest in der Hand“, erinnert sich Janina. Bis 2015 hat sie dual studiert, dann entschied sie sich für Deutsch und Politikwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover. Alles lebensverändernd, aber trotzdem keine Katastrophe. Vier Jahre später ist Janina Mutter von zwei Kindern – und bekommt Studium und Familie, ihr Freund studiert Rechtswissenschaften, gut unter einen Hut. So gut, dass die 27-Jährige auch noch Zeit für ihren Instagram-Account walkingontiptoes und den dazugehörigen Blog hat. Das klappt natürlich nur mit einer Portion Disziplin. Um kurz vor 6 Uhr steht die junge Familie auf, dann geht es für beide Kinder in die Kita, um kurz nach 8 Uhr sitzen Mama und Papa oft schon im Seminar oder in einer Vorlesung. Nachmittags ist Familienzeit, bevor abends noch einmal Vor- oder Nachbereitungen für die Uni anstehen.

Manchmal nimmt Janina ihre zwei Kids auch mit zur Uni. Foto: walkingontiptoes

Manchmal nimmt Janina ihre zwei Kids auch mit zur Uni. Foto: walkingontiptoes

„Im Semester an sich ist alles ziemlich machbar. Anstrengend wird es meistens in den Prüfungsphasen“, erzählt Janina. Studieren mit Kind bedeutet für sie jedoch selten eine Einschränkung, sondern eher die Freiheit, sich ihre Zeit frei einteilen zu können. Bei einer Vollzeitstelle sähe das anders aus. Und sie ist nicht allein. „Ich sehe immer mehr junge Mütter, die ihre Babys in Vorlesungen oder Seminare mitnehmen“. Hochschulen müssen in dieser Lebenswirklichkeit ankommen. Janina lobt das Beratungsangebot an ihrer Uni, in der Bibliothek gibt es sogar extra Familienräume. Zudem trifft sie in ihrem Fachgebiet auf viel Verständnis. „Im Studiengang meines Freundes ist das eher semi-optimal“.