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Karriere im Consulting – auch ohne Master of Economics

Karriere im Consulting – auch ohne Master of Economis

Wer Medizin studiert hat, arbeitet als Ärzt:in. Maschinenbauer:innen tüfteln an neuer Technik. Und als Historiker:in brütet man zeitlebens über Ereignisse der Geschichte. Was auf den ersten Blick logisch erscheint – für das Consulting gilt dies ganz und gar nicht. Wohl in keiner anderen Branche herrscht eine solche Vielfalt an Menschen mit den unterschiedlichsten akademischen Laufbahnen. Klassische Wirtschaftswissenschaftler:innen machen in den großen Strategie- und Unternehmensberatungen mitunter nur 50 Prozent der Beschäftigten aus. Die andere Hälfte kommt zum Beispiel aus dem Ingenieurwesen, aus der IT, den Natur- oder Geisteswissenschaften.

Denn die Projekte – beraten werden Unternehmen von der Automobil- über die Telekommunikations- bis hin zur Tourismusbranche – sind oft derartig speziell, dass Fachwissen gefragt ist. Fehlendes BWL-Know-how? Kein Problem. Das lernt man in der Praxis oder in speziellen Trainings. Zudem wird das Thema Digitalisierung immer wichtiger. So wichtig, dass Beratungen sogar bei der IT-Karriere unterstützen, auch wenn Programmieren & Co. nicht an der Uni gelernt wurde. 

Wir stellen zwei Consulting-Einsteiger:innen vor, die am Beginn ihres Studiums noch einen ganz anderen Karriereweg im Kopf hatten.

 

Von der Klinik in die Beratung

Der Consulting-Branche zum ersten Mal begegnet, ist Jonathan Apasu im Jahr 2016. Damals war er noch Humanmedizin-Student in Bonn, forschte aber gerade an der renommierten Yale University of Medicine und besuchte eines Abends ein Networking-Event. „Dort erfuhr ich erstmalig, wie sehr man in der Beratung auch als Mediziner gefragt ist und welchen wichtigen Beitrag man dank seines besonderen Fachwissens zum Gelingen der Projekte leisten kann“, sagt der 29-Jährige.

Apasu behielt dies im Hinterkopf, widmete sich jedoch zunächst voll und ganz seinem ursprünglichen Berufswunsch: Arzt werden. Am liebsten in der Patientenversorgung, vielleicht aber auch in der Grundlagenforschung. Er machte Praktika in Krankenhäusern in Thailand, Ghana und Kolumbien, schrieb seine Doktorarbeit über ein Thema aus dem Bereich Brustkrebs und war als Assistenzarzt an der Uniklinik Köln tätig. Einmal jedoch verließ Apasu seinen rein medizinischen Karriereweg: Mitten im Studium absolvierte er ein Praktikum bei McKinsey, der weltweit führenden Unternehmensberatung. „Ich wollte einfach wissen, wie der Arbeitsalltag eines Beraters genau aussieht“

Bleibender Eindruck

Dass dieser ihm gefallen könnte, merkte er schon bei der Vorbereitung auf den Bewerbungsprozess. „Komplexe Fallstudien bearbeiten, strukturieren und lösen – das hat mir großen Spaß gemacht und lag mir auch recht gut“. Im Praktikum ging es dann ebenfalls mittenrein: Passend zu seinen Kenntnissen unterstützte Apasu ein Projekt in der Pharmabranche und arbeitete dabei mit Menschen verschiedenster akademischer Hintergründe zusammen. „Danach war mir klar, dass ich den Job eines Tages für einen längeren Zeitraum machen will.“

„Eines Tages“ kam dann ziemlich schnell: Kurz nach Abschluss seiner Promotion stieg er als Associate ein, der dritte von insgesamt sieben Entwicklungspfaden bei McKinsey, und betreut heute Projekte aus dem Bereich Life Science. In internationalen Teams aus Mediziner:innen und Naturwissenschaftler:innen, aber auch Wirtschaftswissenschaftler:innen und Jurist:innen werden hier Kunden aus dem Gesundheitswesen beraten: vom Biotechnologieunternehmen über pharmazeutische und medizintechnische Hersteller bis hin zu Zulieferern und Serviceanbietern. Man sucht nach innovativen Lösungen für Produktion und Forschung & Entwicklung, für Vermarktung, Vertrieb und Wachstum und – in der Sparte ist Apasu tätig – für die digitale Transformation.

Wissenslücken werden „on the job“ geschlossen

„Als Arzt habe ich ein Verständnis über Erkrankungen, den Arztalltag und Gesundheitssysteme. Das hilft ungemein, sich in verwandte Themen mit medizinischem Bezug einzufinden“, sagt der junge Berater. Sich in kurzer Zeit in komplexe, unbekannte Sachverhalte einarbeiten, unter Druck Ruhe bewahren, in schwierigen Gesprächen den richtigen Ton treffen – auch diese für einen Consultant immens wichtigen Skills habe ihn sein Studium und die praktische Arbeit als Arzt mit auf den Weg gegeben.

Aber natürlich kann und weiß auch er nicht alles. Bleiben Fragen offen, besteht die Möglichkeit, mit führenden Expert:innen aus Wissenschaft und Medizin zu sprechen und deren Sicht auf die im Team erarbeiteten Lösungen einzubeziehen. „Vor Start meines ersten Projekts hatte ich zudem Sorge, den wirtschaftswissenschaftlichen Themen nicht gewachsen zu sein“, so Apasu. Diese Bedenken wurden allerdings schnell ausgeräumt: Durch spezielle Trainings werden derartige Lücken erfolgreich geschlossen. Zudem gebe es eine intensive Feedbackkultur. Das habe ihm enorm geholfen, sich nicht – wie oft typisch für Naturwissenschaftler:innen – im Detail zu verlieren, sondern sich auf das in der Beratung so richtige „Big Picture“ zu fokussieren.

Interessante Lebensläufe gefragt

Eine Karriere bei McKinsey sei sicherlich mit jedem fachlichen Hintergrund möglich, sagt Apasu. Viel wichtiger als der Studiengang seien Kreativität, Durchhaltevermögen und Ehrgeiz. So hätten viele seiner Kolleg:innen spannende Stationen in ihren Lebensläufen, die auf den ersten Blick nichts mit der Branche zu tun haben. Er selbst hat jahrelang professionell Basketball gespielt – ein Sport, der solche Charaktereigenschaften erfordert und trainiert.

In absehbarer Zeit wieder zurück ins Labor oder in eine Klinik zu gehen, kann sich Apasu nicht vorstellen. Zu verlockend sei die Aussicht auf weitere spannende Projekte. „Sehr gern würde ich meinen Fokus verstärkt auf den Global Public Health-Sektor legen und mich noch mehr mit Digitalisierung im Bereich Life Science auseinandersetzen.“ Man muss also nicht unbedingt als klassischer Arzt arbeiten, um etwas für Patient:innen zu bewirken. 



Quereinstieg in die IT

Dass Aufgaben wie Quellcodes schreiben einmal zu ihrem Arbeitsalltag gehören würden, hätte Isabella Königsberger bis vor Kurzem nicht gedacht. Denn eigentlich hat die heute 27-Jährige Kommunikationsmanagement studiert und auf IT-Themen lag dabei nicht unbedingt der Fokus. Aber der Lehrplan war breit gefächert und so stand eines Tages auch der Kurs „Grundlagen des Programmierens“ im Vorlesungsverzeichnis. Königsbergers erster Berührungspunkt mit der Welt des Codens. Den zweiten gab’s während ihrer Zeit als Werkstudentin bei einem großen internationalen E-Commerce-Unternehmen. „Technische Aufgaben haben mir immer sehr viel Spaß gemacht“, erzählt sie. „Jedoch dachte ich, dass ich mit den richtigen ITler:innen nie mithalten könnte und daher auch keine Chance auf eine berufliche Orientierung habe.“

Falsch gedacht. Bei der Suche nach einem Weg, ihr Management-Wissen mit dem Interesse für Technologie zu verbinden, stieß sie nämlich auf ein IT-Quereinstiegsprogramm der Unternehmens- und Strategieberatung Accenture. „Hier waren explizit keine Vorkenntnisse gefordert. Ich dachte sofort: Das ist meine Chance!“

In sechs Wochen zur ersten eigenen Anwendung

14 Wochen dauerte das Intensivtraining; behandelt wurde dabei vor allem die Programmiersprache Java, aber auch Javascript, React und SQL. „Das war auf jeden Fall eine Herausforderung. Wenn man noch nie programmiert hat, muss man sich erst einmal eine völlig neue Denkweise aneignen“, sagt Königsberger. „Es ist fast ein bisschen wie Detektivarbeit, bei der eine Lösung gefunden werden muss.“ Den anderen Neulingen im „Coding Bootcamp“ ging es zum Glück ähnlich, denn niemand besaß einen IT-Background. Einige hatten BWL studiert, andere Biologie, wieder andere Sprachwissenschaften. Allen gemein war jedoch die große Motivation, Programmieren zu lernen. Der für Königsberger wohl schwierigste Teil: Schon nach sechs Wochen musste sie eine eigene Anwendung mit Datenbankverknüpfung schreiben. Nach einer Woche war diese fertig – und funktionierte bei der Präsentation einwandfrei. „Ich war wahnsinnig stolz.“

Auch Accenture überzeugte sie von ihrem Talent: Am Münchner Standort arbeitet Königsberger heute als Application Development Analyst. Aktuell geht es um ein Projekt zur öffentlichen Sicherheit, bei dem sie und ihr Team sich um die Verarbeitung und Verwaltung großer Datenmengen kümmern, eine Java-basierte Anwendung programmieren, in Stand halten und um neue Features erweitern. Auch die Software Kafka – unter anderem genutzt von Netflix – kommt dabei zum Einsatz. Zudem hilft sie beim Projektmanagement, beispielsweise bei der Erstellung von Sprint Retros oder der Sprint Review.

Zukunftsthemen: KI und Cloud

Die ständig wechselnden Aufgaben, die hohe Lernkurve und die enge Kommunikation mit Kolleg:innen und Kund:innen sind Aspekte ihrer Arbeit, die die Jung-Entwicklerin dabei besonders spannend findet. Der wohl größte Vorteil ihres Jobs: Wie der klassische Consultant kann auch sie zwischen vielen verschiedenen Projekten wählen. Stillstand gibt es nicht, alles dreht sich um Weiterentwicklung. „Die Bereiche KI und Cloud finde ich beispielsweise sehr interessant“, so Königsberger. „Außerdem möchte ich gern den Scrum Master machen, um mich eines Tages zum Project Lead qualifizieren zu können.“ Sich schnell neues Wissen aneignen – dass sie das kann, hat sie als Quereinsteigerin bereits unter Beweis gestellt.