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Die kleine Mitbewohner-Typologie

Die kleine Mitbewohner-Typologie

Das Leben in einer WG kann manchmal toll und manchmal ziemlich nervig sein. Schließlich gibt es kaum eine facettenreichere Spezies als die der gemeinen Mitbewohner. Ein Überleben im Dschungel des Zusammenwohnens erfordert darum eine spezifische Klassifikation der einzelnen Arten! (Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben, da viele exotische Mitbewohner-Typen in der Feldforschung noch nicht ausreichend untersucht werden konnten.) 

 

1. Der ewige Student
(lat. studiosus aeternus)

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Er ist der Silberrücken unter den Mitbewohnern und schon eine Weile nicht mehr über Mama und Papa krankenversichert. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, von eben jenen die monatliche „Unterhaltszahlung“ einzufordern, schließlich muss er, seinem Alter entsprechend, stets vornehm gekleidet sein. Außerdem ist er kein Freund von Veränderung und bewahrt gerne noch ungeöffnete Soßen und Instantsuppen mit Ablaufdatum 08/2012 in den Küchenschubladen auf. „Es ist ja nur das Mindesthaltbarkeitsdatum!“ Auch Glasflaschen und leere Kartons gehören für ihn mittlerweile zum festen Teil der Einrichtung.

Seine Semesteranzahl reicht weit in den zweistelligen Bereich, sowohl du als auch er haben aufgehört zu zählen. Er wollte auch schon ewig mal das Bad und die Küche putzen, konnte es jedoch nicht in seinem stressigen Tagesablauf (Schlafen, Zocken, über das Leben philosophieren, ins Café gehen, irgendwo den Studentenrabatt ausnutzen, wieder Zocken) unterbringen. Er selbst macht aber auch nicht viel Dreck, da er meist Fertiggerichte „kocht“ oder Cornflakes isst. Von Zeit zu Zeit wird er sich seiner trägen Realität bewusst und bekommt Zukunftsängste, die er jedoch schnell durch den Kauf vornehm erwachsener Küchenelektronik wie Induktions-Milchaufschäumern kompensiert. Allgemein ist ein Zusammenleben mit ihm entspannt, bisweilen aber auch ein bisschen öde. Bei einem Direktvergleich in Sachen Erfolg und Karriere steigt die Laune jedoch sofort wieder, da man sich danach ausnahmslos immer viel besser fühlt.

 

2. Der Fitnessfreak
(lat. athleta fanaticus)

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Er ist als großer Fan regelmäßiger Leibesertüchtigung selbstverständlich PlatinCard-Inhaber im nächstgelegenen Fitness-Shop. Ob Sportnahrung, Supplements oder Nahrungsergänzung – er hatte sie schon alle! Naja, jedenfalls steht die ganze Küche mit den glänzenden übergroßen Behältern voll. Schließlich legt er großen Wert auf gesunde Ernährung. Meistens siehst du ihn, wenn er entweder gerade mit futuristischer Sportkleidung joggen gehen will oder von seinem täglichen 18 Kilometer-Lauf nach Hause kommt. Viel Zeit verbringt er selbstredend auch im Fitnessstudio, um sich dort mit seinen Trainingspartnern auszutauschen, da du ihn, die Tiefkühlpizzakrümel in deinen Mundwinkeln beweisen es, einfach nicht verstehen willst. Auch im Allgemeinen hörst du ihm nie zu, wenn er dir beim „gemeinsamen“ Kochen zum x-ten Mal die Vorzüge von Kokosöl erklären will, während er mit seinen Dosierlöffeln Vollkornreis exakt abmisst. Warum nur??? Aber nachdem die anfänglichen Schuldgefühle über deine eigene körperliche Unzulänglichkeit dem unauffälligen Augenrollen gewichen sind, kommt ihr gut miteinander aus. Schließlich sparst du dir bei Bedarf den Personal Trainer, da er das mit Vergnügen übernimmt. Zum Freibierabend in der Bar solltest du ihn jedoch nicht mitnehmen, wenn sie dort keine isotonischen Alternativen haben.

 

3. Das Fancy-Girl
(lat. puella pulchra)

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In der freien Wildbahn sehr leicht an ihrem wohlbekannten Federkleid zu erkennen: Fjällräven-Rucksack, Doc Martens-Boots, Mom Jeans und Crop Top. Natürlich entspricht diese oder je nach Saison regelmäßig wechselnde Erscheinung absolut nicht dem Mainstream, ist voll und ganz ihr höchsteigener Geschmack und nur zufällig so auch auf jedem vierten Instagram-Bild dieser Welt zu finden! Sie ist viel unterwegs und bereist neben den obligatorischen Festivals auch gerne exotische und weit entfernte Orte, um sich dort mit dem #backpack ihrer #wanderlust hinzugeben. Trotzdem verlierst du sie dabei nie aus den Augen, da sie dir durch ihre permanente Social Media-Präsenz stets ganz nah ist. Daheim in der WG redet sie ebenfalls gerne von diesen lebensverändernden Trips, die ihr Leben so unglaublich verändert haben… Die alltäglichen Dinge sind ihr wiederum ziemlich egal, die Wohnung putzt sie meist nur, wenn ihre ebenfalls fancy-mäßigen Freunde vorbeikommen. Wenn du dich dann mal zu ihnen gesellst, ist es wiederum immer sehr unterhaltsam, oberflächlich ja, aber auch sehr unterhaltsam. Schließlich kommst du durch sie auf die besten Partys und lernst überall tausend Leute kennen. Auch durch ihre konsequente Stilsicherheit ist sie immer der richtige Ansprechpartner, wenn es um dein Äußeres geht. Auch ungefragt spart sie nicht mit gutgemeinten Tipps zur Verbesserung deiner Erscheinung.

 

4. Das Phantom
(lat. phasma ignotum)

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Ein schwieriges Forschungsobjekt unter den Mitbewohner-Typen, da er ein Meister der Tarnung ist und selten ausgiebig studiert werden kann. Über sein Aussehen und seine Lebensführung ranken sich viele Legenden, die seit langer Zeit von Vormieter zu Nachmieter weitergetragen werden. Den einzigen stichhaltigen Hinweis auf seine Existenz liefert die monatliche Zahlung der Miete auf das WG-Konto. Ansonsten kann man über ihn nur Mutmaßungen anstellen, die du gerne und häufig mit deinen anderen Mitbewohnern diskutierst. Besonders bei Vollmond, heißt es, würden die Chancen steigen, ihn in voller Pracht und außerhalb seines Zimmers zu sehen. Ansonsten erinnert das Zusammenwohnen mit dem Phantom erwartungsgemäß an das Alleineleben. Positiv ist, dass er bei seinem Aufenthalt in der WG keinerlei Spuren hinterlässt, abgesehen von ein paar Krümeln auf dem Küchentisch oder den Wassertropfen, die von der Dusche in sein Zimmer führen. Das Phantom praktiziert zudem die friedliche Koexistenz, die perfekt auf deinen Tagesablauf und den der anderen Mitbewohner abgestimmt ist. Darum wird er dir nie in die Quere kommen, wenn du dringend ins Bad musst oder Wäsche waschen willst. Geht es zu weit, wenn ihr daher Eintritt für die Besichtigung dieses sagenumwobenen wie faszinierenden Geschöpfes am Ende des Flurs nehmen wollt? Vermutlich.

 

5. Der Ersti-Nerd
(lat. tiro inscius)

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Frisch aus dem elterlichen Nest entflogen, kann er sich endlich ungestört seiner Passion widmen: dem exzessiven Spielen mystischer Online-Role-Playing-Games! Wo er früher noch von seiner Mutter zum Nach-draußen-Gehen gezwungen wurde, bestreitet er nun nächtelang wichtige Missionen in der virtuellen Welt. Tagsüber holt er dann den mangelnden Schlaf nach und vernachlässigt ebenso sehr seine Informatik-Vorlesungen wie den Aufbau sozialer Kontakte. Auf Ersti-Partys und Fachschaftsgrillen hat er keine Lust, zieht er doch viel lieber seine schlecht gelüftete „Höhle“ vor. Lange kann er dieses Leben jedoch nicht durchhalten, die dreckige Wäsche und die gammelnden Essensreste gefährden schließlich nicht nur seine, sondern irgendwann auch deine Gesundheit! Jetzt bist leider du gefragt, denn allein ist dieses bebrillte Rehkitz nicht in der Lage, sowas wie erwachsen zu werden. Du musst nun als eine Art Elternersatz für ihn da sein und ihn buchstäblich bei der Waschmaschinenbedienung an die Hand nehmen, da er sich im dunklen Wäschekeller fürchtet. Denn dass Haushaltsutensilien keine nachwachsenden Rohstoffe sind und auch nicht von selbst ihre Aufgaben erfüllen, hat er bis jetzt verdrängt. Bei der sozialen Interaktion braucht er ebenfalls deine Hilfe, denn im Real Life mit Kommilitonen zu sprechen, hat er noch nie ausprobiert. Aber sieh es mal so: Wenn er endlich Freunde gefunden hat, hängt er nicht ständig mit dir und deinen Leuten rum. Und sobald der Ersti-Nerd mal aufgetaut ist, kann man ab und zu ziemlich interessante Gespräche mit ihm führen, weiß er doch eine Menge über Popkultur, Bitcoins und den „kostenfreien“ Download teurer Adobe-Programme.

 

6. Die Party-Animals
(lat. animalia celebrationum)

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Sie sind die Könige des WG-Dschungels. Jede Nacht verwandeln sie die Wohnung in das bestbesuchte Party-„Wasserloch“. Egal ob Geburtstag, Semesterende oder weil einfach mal wieder Mittwoch ist, kein Anlass ist zu klein, um als Feier-Rechtfertigung zu dienen. Wenn du aus der Uni kommst, ist der Flur bereits voll mit fremden Leuten. Gerne gesellen sich diese auch ungefragt zu dir in dein Zimmer. Eigentlich eine eher unangenehme Situation, wenn der Kommilitone deiner Mitbewohnerin über deine Babyfotos an der Wand lacht. Aber nimm es nicht persönlich, denn wer um 16 Uhr bereits mit Doppelkorn anfängt, weiß am nächsten Tag eh nicht mehr, worüber er überhaupt jemals gelacht hat. Die Party-Animals lassen auf ihren regelmäßigen Saufgelagen auch nur ungern etwas anbrennen. Plötzliche Stöhn-Geräusche hinter der Wand gegenüber sind für dich daher bessere Einschlafmusik als jede Walgesangs-CD. Wenn sich am nächsten Morgen um 14 Uhr dann Stapelweise Pfandflaschen in der Küche türmen, hast du als der „Frühaufsteher“ geldtechnisch für die nächste Woche mal wieder ausgesorgt. Denn wer mit partywütigen Mitbewohnern zusammenlebt, kann angenehme Nachtruhe vergessen und muss einen Ausgleich finden. Wenn du jedoch auf erholsamen Schlaf nicht verzichten kannst oder willst, solltest du Gruppendruck aufbauen und andere Leute aus der WG mit ins Boot holen. Im Pyjama aus dem Zimmer stürmend „Bitte leiser!“ zu brüllen, hat sich überraschenderweise als wenig effektiv herausgestellt.

 

Natürlich könnte jeder auf nächtliche Computerspiel-Geräusche, Vorträge über die Gefahren von Weizen, Altpapier-Türme oder stundenlange Fotoshootings vor dem Badezimmerspiegel durchaus verzichten, aber ihr wisst es selbst, so ist das nun einmal in einer Wohngemeinschaft: Du akzeptierst die Marotten und Ansprüche der anderen, ihr schreibt Pläne, an die sich keiner hält, seid mal frustriert und genervt, aber nie alleine. Es ist schön, auf einer Wellenlänge zu sein, da sich dann leichter über Unstimmigkeiten hinwegsehen lässt. Aber wenn nach den ersten Wochen die neue Mitbewohnerin doch nicht so easy going ist, wie sie im zehnminütigen Kennenlernen rüberkam, sollte man versuchen, sich in einer bestimmten Weise zu arrangieren und zu kommunizieren. Und ganz am Ende sind wir ja selbst immer noch die Mitbewohner unserer Mitbewohner.

 

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