Wen juckt‘s?!
Wen juckt‘s?!
Geschlechtskrankheiten sind wieder auf dem Vormarsch. Was ist da unten nur los, ist Safe Sex out, fragt sich unsere Kolumnistin.
In Merseburg gibt es den Studiengang „Angewandte Sexualwissenschaft“ sowie den Master in Sexologie. Die Studieninhalte ließen mein Herz höherschlagen – bis ich die Gebühren von knapp 20000 Euro sah. Man lernt also nicht nur theoretisch, man wird auch gleich mal ins Bankkonto gefickt. Mein Sexleben bleibt also ungebildet – zumindest auf dem Papier.
Dennoch habe ich mich gefragt, ob wir nicht alle eine Weiterbildung in Sachen Sex gebrauchen könnten, besonders wenn es um Safe Sex geht. Denn seit einigen Jahren steigen die Infektionszahlen für sexuell übertragbare Krankheiten wieder an. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 6834 Syphilisfälle gemeldet – ein Anstieg von 149 Prozent seit 2009! Und auch Chlamydien, die unbehandelt zu Unfruchtbarkeit führen können, sind laut Robert-Koch-Institut seit ein paar Jahren wieder zugange.
Haben die sinkenden Zahlen der 90er und 00er Jahre uns zu sicher fühlen lassen? Fielen durch eine scheinbare Bekämpfung von Syphilis & Co. unsere Hemmungen und Kondome weg? Sind Creampie-Pornos schuld? Who knows! Was ich aber zum Beispiel weiß: Weltweit infizieren sich jährlich rund 80 Millionen Menschen mit Tripper – einmal ganz Deutschland, zack, infiziert. Seinen eigenen Gesundheitsstatus zu kennen, diesen mit Sexpartnern zu besprechen und sich zu schützen, ist also heute umso wichtiger.
Als ich eine Freundin frage, wann sie sich zuletzt hat testen lassen, zieht sie empört die Augenbrauen nach oben: „Ich bin doch keine Professionelle!“ Woraufhin mir nur eines einfällt: Stimmt, denn dann würde sie wohl auf ihr Arbeitswerkzeug besser aufpassen. Und überhaupt finde ich, sollten wir viel lockerer über Sex sprechen können, und dazu gehört zwangsläufig auch das Sprechen über sexuell übertragbare Krankheiten, über unsere Gesundheit. Wir entwickeln uns langsam in eine wunderbare Richtung, wir sind sexpositiv, body positive, wir lieben unseren Körper und Sex – aber verhalten wir uns auch so? Immerhin verlaufen verdammt viele Geschlechtskrankheiten jahrelang ohne Symptome und gerade das ist tückisch.
Als ich deswegen meine Gynäkologin anrufe, um mich einmal komplett durchchecken zu lassen, kommt die Ernüchterung:
„Worauf möchten Sie sich denn testen lassen?“
„Einmal alles, bitte!“
„Ähm, das geht nicht, das würde Sie Unsummen kosten. Eine bestimmte Krankheit?“
Ich komme mir vor wie beim Bestellen eines McDonalds-Menüs: „Einmal HIV, Syphilis und Chlamydien, bitte!“
HIV-Tests werden übrigens häufig vom örtlichen Gesundheitsamt angeboten. Und für den Rest? Das habt ihr jetzt aber nicht von mir: Am besten sagt ihr eurem Doc, dass ein Kondom gerissen ist, es bei euch juckt, ihr nicht wisst, was es ist, drückt auf die Tränendrüse. Bei akutem Verdacht übernimmt dies dann meist die Krankenkasse. Also: Fuck the system! Aber mit Kondom, bitte.