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Master-Mission erfolgreich – und jetzt?

Die Phase rund um den Masterabschluss ist anstrengend und nervenaufreibend, aber auch eine Chance, etwas Eigenes mit Leidenschaft zu erforschen oder zu entwickeln. Zwei, die es geschafft haben, erzählen, was sie durch diese Zeit getragen hat und wie es nun weitergeht.

Die Chemie stimmt

Naturwissenschaften, vor allem Chemie und Physik, haben Almuth Schmid (Instagram: @almuuth) schon in der Schule begeistert. Die Experimente und Naturgesetze, die Frage, wie Elemente miteinander reagieren und wie der Mensch und all das andere Leben auf der Erde entstanden sind. „In der Oberstufe hatte ich dann einen großartigen Physiklehrer. Liebe Grüße gehen raus an Herrn Klees! Er hat mich sehr darin bestärkt, etwas Naturwissenschaftliches zu studieren.“

Geworden ist es schließlich Chemie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Erst im Bachelor, danach im Master. Trotz Leidenschaft für das Fach: Leicht war es nicht immer. „Das Studium ist ungeheuer zeitaufwendig und intensiv. Besonders bei den Laborpraktika fühlt man sich oft überfordert“, erzählt Almuth. Wäre da nicht der Zusammenhalt unter den Studierenden gewesen – gut möglich, dass sie das Ganze im ersten Jahr hingeschmissen hätte. Zum Glück ist das nicht passiert. Almuth ist drangeblieben und darf sich seit September 2023 „Master of Science“ nennen.

Almuth aka Master of Science

Für ihre Masterarbeit ist die 26-Jährige von München in die niederländische Stadt Nijmegen gezogen. Dort, an der Radboud-Universität, hat sie im Fachbereich „Ursprung des Lebens“ ein halbes Jahr lang geforscht. Einfach erklärt für alle, die das „Periodensystem der Elemente“ nur noch als bunten Wandbehang erinnern: Unter Bedingungen, die denen auf der frühen Erde glichen, hat Almuth im Labor untersucht, wie vor Millionen von Jahren DNA entstehen konnte. Eine ziemlich knifflige Frage in der Forschung, denn Phosphat, Zucker und Nukleobasen – alles wichtige Bausteine unserer DNA – kamen damals nur extrem stark verdünnt im Ozean vor. Fürs Miteinander-Reagieren waren ihre Konzentrationen viel zu niedrig. Zudem gab es noch keine Enzyme, die eine Reaktion hätten beschleunigen können. Um dieses Problem zu umgehen, arbeitete Almuth mit Protozellen, sogenannten Coacervates. Und siehe da: Phosphat ließ sich von einem Molekül zu einem anderen übertragen. „Die Arbeit im Labor hat mir am meisten Spaß gemacht. Besonders, als ich mehr und mehr meine eigenen Ideen umsetzen konnte. Es gibt kein schöneres Gefühl, als selber experimentieren und verschiedene Sachen ausprobieren zu können.“

Forschen im Labor

Stressig wurde es dann beim Verschriftlichen ihrer Ergebnisse. Nur ein Monat war dafür Zeit. Was sie hier aus Motivationstiefs geholt hat? Sich mit Freund:innen auszutauschen, die sich in der gleichen Situation befanden. Oder zwischendurch etwas ganz anderes machen. Beispielweise eine Runde Joggen oder in der Karaokebar lauthals „Mr. Brightside“ von The Killers singen. Aber auch die Prägung durch ihre Mutter und Schwester hätte ihr geholfen, sagt Almuth. „Meine Mutter hat uns als Alleinerziehende durchgeboxt. Sie hat mir beigebracht, auch in schwierigen Zeiten nie das Ziel aus den Augen zu verlieren. Dafür bewundere ich sie. Das Gleiche gilt für meine Schwester, die von Kindheitstagen an wusste, was sie mal werden wollte und zielstrebig darauf hingearbeitet hat.“  

Almuths nächstes Ziel heißt Doktortitel. Aktuell promoviert sie an der LMU im Fach Biophysik und forscht weiter am Ursprung des Lebens. Beruflich könnte sie sich später vieles vorstellen. Vielleicht ein eigenes Startup. Oder aber eine Stelle als Managerin in einem Biotech-Unternehmen. Am liebsten in einem Bereich, der künstliche Intelligenz mit Forschung verbindet. Und in dem es vermehrt auch Kolleginnen gibt. „Hier bin ich optimistisch. Die Naturwissenschaften werden immer diverser. Am Anfang war das Verhältnis Männer zu Frauen etwa fifty-fifty. Am Ende meines Masterstudiums waren es dann sogar mehr Frauen.“ Dennoch habe sie auch schlechte Erfahrungen gemacht. So kam es während Praktika manchmal vor, dass die Betreuer Studentinnen nicht ernstgenommen oder sogar mit ihnen geflirtet haben. „Die meisten Kommilitonen waren aber sehr offen und aufgeschlossen. Daher meine Botschaft an alle jungen Frauen, die sich für MINT-Fächer interessieren: Go for it!“



Barrieren abbauen

Mit 12 Jahren war es um Amelie Hofer (Instagram: @amelie.amila) geschehen. Damals spielte sie auf ihrem iPad ein Spiel, bei dem man Häuser entwerfen und in 3D bauen konnte. Stunden, ja Tage verbrachte sie damit. „Ich habe das so geliebt. Ab diesem Zeitpunkt war klar: Ich will Architektin werden.“ Den Weg hin zu diesem Ziel verfolgte sie straight. All ihre Schulpraktika absolvierte Amelie in Architekturbüros; nach dem Abitur begann sie, an der Universität Stuttgart Architektur und Stadtplanung zu studieren.

Amelie und ihre Masterarbeit

Eines Tages schicke Wohn-, Büro- oder Gewerbegebäude zu designen, war jedoch nicht die einzige Motivationsquelle. Durch ihre Behinderung, Amelie hat Spinale Muskelatrophie, weiß sie, woran es in Deutschland vielerorts noch immer mangelt. „Ich bekomme tagtäglich ‚am eigenen Leib‘ mit, was es bedeutet, wenn nicht barrierefrei geplant wird. Hier etwas für Menschen mit Behinderung zu bewegen – das ist mein größter Antrieb.“

Dieser trug die 25-Jährige auch durch das Projekt „Masterarbeit“. Amelies Idee: Ihre Interessen für Barrierefreiheit und Digitalisierung kombinieren und eine App für Architekt:innen entwickeln. „Ich habe da für mich komplettes Neuland betreten, denn in Sachen Programmieren hatte ich keinerlei Vorkenntnisse. Das musste ich binnen kürzester Zeit lernen.“ Mehr als einmal sei sie dabei an ihre Grenzen gestoßen. „Aber zum Glück, weil so konnte ich total viel lernen. Und es zeigt: Wenn wir etwas wirklich wollen, werden ungeahnte Superkräfte freigesetzt.“ Mittlerweile ist ein Prototyp der App „DiNable“ fertig. Nach einer Weiterentwicklung soll sie künftig dabei helfen, ein besseres Verständnis für die barrierefreie Planung zu vermitteln und zum Beispiel zeigen, warum es mehr Platz an Türen oder in Toiletten braucht. An der Universität war man begeistert, sodass Amelie seit November 2023 ihren Master in der Tasche hat. Noch dazu gewann sie mit ihre App einen IT-Wettbewerb.

Entwurf von Amelie

Neben all diesen Erfolgen findet sich Amelie aber auch oft in Situationen wieder, die verdeutlichen, dass unsere Gesellschaft an vielen Stellen noch immer von gestern ist. Zum Beispiel habe man ihr das Studium intellektuell nicht zugetraut. Wie auch, schließlich sitze sie doch im Rollstuhl! „Tja, ich habe meinen Master summa cum laude abgeschlossen. Trotz Rollstuhl! Mind-blowing, oder?“, sagt Amelie und kann sich die Ironie nicht verkneifen. Bis heute begleite sie zudem das Vorurteil, als Architektin müsse sie doch auf Baustellen gehen. Und wie wolle sie das denn bitte schön machen? „‚Gar nicht‘, antworte ich dann immer. Bei mir wird es zwar nicht die Bauleitung sein, aber dafür besitze ich Expertise in den Themen Barrierefreiheit und computergestützte Planung.“  Schließlich bringe doch jeder Mensch andere Grundvoraussetzungen mit und erst durch diese Einzigartigkeit könne Vielfalt entstehen. „Mich nervt, dass wir alle oft auf nur eine Sache reduziert werden. Wir sind doch viel mehr als ‚die Behinderte‘ oder ‚der Sportler‘.“ Und das sollte man auch im sogenannten ‚gesellschaftlichen Idealbild‘ sehen.“

Aktuell ist die frischgebackene Uniabsolventin auf Jobsuche. Am liebsten würde sie im Bereich „Building Information Modelling“ arbeiten. Hier geht es darum, ein 3D-Modell vom Gebäude am Computer zu planen und so Probleme, die auf der Baustelle zu Verzögerungen führen würden, frühzeitig zu erkennen und noch im Büro zu beheben. Daneben würde Amelie auch gern noch ihre App marktreif weiterentwickeln. Das Wichtigste, das sie in ihrem Studium fürs Berufsleben gelernt hat? „Nimm möglichst viele Meinungen, Haltungen und Kritiken zu deinen Projekten und Ideen mit. Und dann mach dein eigenes Ding draus!“