now + next

View Original

Vergleichsweise einzigartig

Vergleichsweise einzigartig

Wieso scheint es bei anderen immer so viel besser zu laufen als bei uns selbst? In Zeiten der digitalen Medien ist es leicht wie nie zuvor, sein Selbstbewusstsein mit Vergleichen zu foltern. Aber wie schaffen wir es, wieder unsere Einzigartigkeit zu feiern?

In gewisser Weise sind Vergleiche normal. Wir können nur schwer eine Identität für uns festmachen, wenn kein Anhaltspunkt, kein Fremdbild vorhanden ist. Aber übertreiben wir es, wird das Ganze zu einer Waffe gegen uns selbst. Wir starren neidisch auf den durchtrainierten Körper der Person neben uns im Hörsaal. Wir folgen diesem einen ehemaligen Kommilitonen, der mit 25 schon alles erreicht hat, wovon wir nur träumen. Wir verfolgen obsessiv den Instagram-Feed von Leuten, die wir gar nicht kennen. In den sozialen Medien kuratieren wir größtenteils selbst, was uns präsentiert wird. Lieben wir also die Selbstkasteiung? Liken wir hübsche Bilder garniert mit einer Prise „Du bist nicht gut genug“?

Manchmal tut es da natürlich gut, sich mit Leuten zu vergleichen, die ihr Leben augenscheinlich noch weniger unter Kontrolle haben als man selbst. Aber diese Bestätigung ist eine trügerische. Denn auch wenn man sich kurz besser fühlt, weil jemandes Semesterzahl noch höher ist, so bringt einen das auch nicht wirklich weiter. Das Studium ist immer noch nicht abgeschlossen und lediglich kombiniert mit dem fahlen Nachgeschmack eines Konkurrenzkampfes, bei dem man sich bewusst einen leichten Gegner ausgesucht hat.

Meine persönliche absolut verhassteste Vergleich-Situation im Studium: Referate. Ich drücke mich meist bis zur letzten Sitzung und habe so die wunderbare Möglichkeit, alle anderen perfekt durchdachten und eloquent vorgetragenen Referate vor meinem eigenen zu hören. Und natürlich machen es alle besser. Wieso bin ich die einzige Inkompetente? Wie habe ich es nur geschafft, mich bis zum Master durchzuschummeln? Vor meinem letzten Referat war ich so deprimiert, dass ich nicht anders konnte, als allen im Kurs zu sagen, wie sehr ich das Präsentieren hasse und wie aufgeregt ich bin. Als genau die Kommilitonin, die in der letzten Woche scheinbar mühelos einen perfekten Vortrag gehalten hatte, mir zustimmte, war das wie ein Schlag in die Fresse meiner Selbstzweifel. Und als ich mich umgucke, nicken viele. Haben wir also alle einen Abschluss in Schauspielern? Einen Doktor in „So tun als ob“?

Als ersten Schritt aus der selbst auferlegten Vergleichsfolter empfehle ich einen Digital Detox à la KonMari, bei dem man allen YouTubern und Instagram-Models entfolgt, die keine Freude, sondern eher Frust auslösen. Does it spark joy? Nein? Dann weg damit. Denn wir sind einzigartig und was bringt es, Äpfel und Birnen zu vergleichen? Besonders wenn die Äpfel voller Photoshop und Selbstinszenierung sind.

Viel wohltuender für die Perspektive auf sich und andere: nett sein. Vor allem wenn man aufhört, erbarmungslos und negativ über andere zu denken, beginnt man meist unterbewusst auch mit sich selbst verständnisvoller und nachsichtiger umzugehen. Also anstatt sich über die lächerliche Frage einer Kommilitonin lustig zu machen, um sich selbst kurz superklug fühlen zu können, einfach mal denken: „Wow, finde ich toll, dass sie sich traut alle Fragen zu stellen, die sie hat.“ So einfach, so wirksam.

See this gallery in the original post