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Drogen im Studium

Drogen im Studium

Medikamente wie Ritalin und Adderall haben neben Mate und Traubenzucker mittlerweile bei nicht wenigen Studenten ihren festen Platz als Brainbooster. Aber nicht jedem sind die Nebenwirkungen bekannt, und auch nicht die Gefahren, wenn die Konzentrationspille zur Partydroge wird.

Das einsame Kämmerlein zum Studieren ist heutzutage nicht mehr als eine Illusion. Kaum einer kommt ohne Internetzugang aus, und spätestens dann fangen die Gedanken an zu springen – war da nicht noch dieses eine Buch, das man in der Bibliothek bestellen wollte? Also klappt man seinen Laptop auf, entsperrt sein Smartphone, und landet im wunderbaren Strudel der Ablenkung, irgendwo zwischen Instagram, witzigen Viral-Videos und noch schnell eingesprochenen Sprachnachrichten.

Zwar finden die meisten Studierenden recht bald aus ihm heraus, sei es dank Selbstdisziplin oder Social-Media-Fasten. Anders ist es, wenn sieben Klausuren innerhalb von zwei Wochen vor der Tür stehen und Prokrastination kein Luxusproblem ist, sondern zu Existenzängsten führt. Wenn man den Druck hat, einer der Besten zu sein, um nicht schon nach ein paar Semestern seinen Studiengang verlassen zu müssen.

So ging es etwa Lukas, Alex, David. Drei Studenten, allesamt Wirtschaftswissenschaftler, sie erzählten vor rund zwei Jahren im Süddeutschen Magazin offen über ihren Ritalinkonsum und dessen Nebenwirkungen. Und sie erklärten, warum sie überhaupt zu den Pillen griffen.

Da ist die Regelstudienzeit. Die Firmen würden sich schon etwas denken, wenn man statt sechs Semestern acht brauche, sagt David.

Da seien die besseren Noten. Schon im Abi kamen die quasi von allein, sagt Alex: Mathe 14 Punkte, Deutsch 14 Punkte. Lauter Einsen.

Und da ist das Abenteuer. Man müsse „relativ risikofreudig“ sein, um sich darauf einzulassen, sagt David. Er nennt den Willen zur Pille „Entdeckergeist“.

Ritalin wird vor allem bei Kindern mit ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) eingesetzt, seit der Jahrtausendwende wird es immer häufiger verschrieben. Doch auch Studierende im Klausurenstress lernten schnell, wozu die weißen Pillen nützlich sein können. Der Wirkstoff sorgt dafür, dass nach kurzer Zeit der Dopamin- und Noradrenalinspiegel gesenkt wird. Die Folge: Man konzentriert sich besser auf eine Aufgabe, die Aufmerksamkeit wird nicht so schnell gestört.

Für den BWLer Alex war das während des Abiturs und den ersten Semestern die Rettung. Und er erzählt von einem Besuch in den USA, davon, wie Ritalin und vor allem das Präparat Adderall, das ähnlich wirkt, dort gang und gäbe bei Studierenden seien. Doping wird das dort nicht genannt, sondern Neuroenhancement, Smart-Drugs, Brainbooster, tabuisiert wird das Thema nicht. Alex: „Ich frage mich, was wäre schlecht daran, wenn ein Wissenschaftler auf Ritalin ein neues Medikament erfinden würde?“

Das liegt natürlich auch an der Verfügbarkeit: Zwar benötigt man in den Vereinigten Staaten auch ein Rezept, um die Medikamente zu bekommen. Aber die Hürden für ein solches Rezept sind niedriger als in Deutschland, die Verfügbarkeit höher. Belastbare Zahlen zur Verbreitung gibt es zwar kaum, in Deutschland wird in Studien oft nach illegalen Substanzen gefragt, so dass meist auch Cannabis darunter fällt. Hier kamen Mainzer Wissenschaftler auf einen Wert von 20 Prozent aller Studierender, die solche Substanzen zu sich nehmen. US-Forscher hingegen sprechen in einer Studie aus dem Jahr 2010 schon von etwa jedem siebten Studenten, der ADHD-Medikamente zur Leistungsverbesserung zu sich nimmt. Acht Jahre später stellt eine Umfrage der Zeitung Michigan Daily die Zahl 25 Prozent in den Raum.

In englischsprachigen Internetforen hat sich eine auskunftsfreudige Community entwickelt, die Tipps gibt, wie man Adderall und Ritalin einnehmen sollte. Fragen von Neulingen werden geduldig beantworten: Welche Pille sollte genommen werden, wenn man nur für ein paar Stunden konzentriert sein muss? Und wie komme ich an das Präparat ran, wenn ich einen ganzen Tag durcharbeiten muss? Euphorisch sind auch die Erfahrungsberichte: Ich habe meine Klausur gerockt. Das Essay schrieb sich wie von allein. Und: Der Sex mit meinem Partner ist plötzlich viel besser.

Die Verlockung ist natürlich da: Nach der stressigen Klausurenphase einfach bei der Pille bleiben, beim Tanzen im Club in den Tunnel kommen, den DJ abfeiern. Aber dieser Wunsch steht den Warnungen im Internet entgegen, die Amphetaminderivate bloß nicht als Partydroge verwenden. Der Lerneffekt nehme stetig ab, die Kopfschmerzen würden schlimmer, ein klassisches Drogendown kann folgen, mit der Gefahr, in eine Medikamentenspirale zu geraten. Manche nehmen Beruhigungstabletten. Andere klagen über Ängste, Unruhe, Psychosen, nehmen Antidepressiva.

Die dunklen Nebenwirkungen der Drogen kennen auch die Wirtschaftswissenschaftler Lukas, Alex und David: Wer die Pille nach vier Uhr nehme, der könne vergessen, vor zwei Uhr einzuschlafen. Die Signale des Körpers dringen nicht mehr durch, etwa wenn es Zeit wäre, etwas zu essen. Für viele Konsumenten ist die härteste Nebenwirkung von Ritalin und Adderall jedoch eine andere: Man sperrt sich gegen Interaktionen mit der Außenwelt – auch den positiven.

Alex erzählt, wie er auf dem Geburtstag des Vaters seiner Freundin komisch angeguckt wurde, weil er sich auf Ritalin nicht mehr sozial einbringen konnte. Er habe in der Ecke gehockt und kein Wort erzählt. Häufig kommt es auch zu Streit, es drohen Einsamkeit und Depression. Studien verweisen außerdem darauf, dass bei einem regelmäßigen Konsum auch Hirnschäden auftreten können. Was auf den ersten Blick wie ein smarter Trick in der Klausurenphase aussieht, kann so zum langfristigen Problem werden.


Wenn’s aus dem Ruder läuft,

ist die psychologische Beratungsstelle an deiner Uni ein guter erster Anlaufpunkt. Hier bekommst du Tipps, wie du mit Lernstress besser umgehst und ihn auch ohne chemisches Gehirndoping meisterst. Noch schnellere Hilfe bietet die Sucht- und Drogen-Hotline 01805 313031.